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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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gerahmter FLUCHTWEGPLAN, der viel zu hoch angebracht war, um vernünftig lesbar zu sein – selbst für einen Mann von Deckers Größe.
    Rechts vom Gang befand sich eine Wand aus Einwegspiegelglas. Dahinter residierte vermutlich die Einsatzleitung. Vor der Spiegelwand standen mehrere königsblaue Plastikstühle, die am Boden festgeschraubt waren, sowie ein zwei mal zwei Meter großer Spind, den ein Poster zierte, auf dem eine Gruppe Polizeibeamter zu sehen war. Die Unterzeile besagte, daß für New York nur »DIE BESTEN« gut genug waren. Auf der linken Seite des Ganges stand der Schreibtisch des diensthabenden Sergeanten hinter einer gut einen Meter hohen Holzbarriere, die durch den gesamten Raum lief. Auf dem Schreibtisch waren ein Computer, eine Liste mit den wichtigsten Befehlen und zahlreiche lose Blätter. Hinter dem Schreibtisch hing eine Pinnwand mit Memos, Visitenkarten, Steckbriefen und zwei Polaroidaufnahmen – ein Foto von einem alten Mann, der vermißt wurde, und eins von einem Pitbull. Unter das Bild von dem Hund hatte jemand geschrieben: »Er beißt am liebsten in die Eier.«
    Der Raum roch alt und müde. Während Decker über das typische Los von Polizisten sinnierte, spürte er, wie ihn etwas am Bein beschnupperte. Es war der räudigste Golden Retriever, den er je gesehen hatte. Er mußte an seinen eigenen Hund denken, eine Irische Setterhündin. Selbst an ihren schlimmsten Tagen sah Ginger nicht so zerzaust aus. Obwohl Deckers Nase sich gut einen Meter achtzig über dem Tier befand, war der Atem des Hundes nicht zu überriechen.
    »Unser Maskottchen«, sagte eine männliche Stimme. »Gertrude.«
    Der Mann saß hinter dem Schreibtisch am Empfang und erledigte, die Augen nach unten gerichtet, irgendwelchen Papierkram. Sein ohnehin schon breites Gesicht wirkte durch die platte Boxernase noch breiter. Er hatte ein kantiges Kinn, tief liegende Augen und dicke, durchgehende Augenbrauen. Zwischen seinen vollen Lippen klebte eine Zigarette.
    »So einen häßlichen Hund habe ich noch nie gesehen«, sagte Decker.
    »Das Häßliche stört mich nicht«, sagte der Mann, während er nach hinten langte und sich am Rücken kratzte. »Was einen echt fertig macht, sind die Flöhe.« Er blickte von seinem Schreibtisch auf. »Warten Sie auf jemand, oder was gibt’s?«
    »Ich möchte eine Vermißtenanzeige erstatten«, sagte Decker. »Sind Sie Sergeant Weiczorek?«
    »Als ich das letzte Mal in meiner Geburtsurkunde nachgesehen hab, war ich’s noch. Aus welchem Revier sind Sie?«
    »Ich bin nicht beim NYPD. Es geht um einen Jungen hier aus der Gegend. Ich tu der Familie bloß einen Gefallen.«
    »Aber ein Cop sind Sie ganz bestimmt«, sagte Weiczorek. »Das sieht man Ihnen an.«
    »Ja, aus Los Angeles.«
    »So was seh ich doch auf ’ne Meile Entfernung.« Weiczorek drückte seine Zigarette aus. »Hüpfen Sie rüber und erzählen mir von dem Jungen.«
    Decker machte einen Schritt über die Holzabsperrung. Das Revier hatte offenbar einen ruhigen Abend. Nur wenige Uniformierte gingen ein und aus, und durch die einseitige Spiegelwand drangen lediglich gedämpfte Stimmen, die Einsätze verteilten – kein Übeltäter in Sicht. Decker erzählte Weiczorek das Wichtigste über Noam, dann zeigte er ihm das Foto. Weiczorek tippte die Informationen in den Computer. »Manchmal wird so ein Junge ohne Papiere in ’nem Revier aufgegriffen«, sagte er. »Der Computer spuckt alles aus, was irgendwie paßt. Dauert bloß ’n paar Minuten.«
    Decker starrte an Weiczorek vorbei auf den Bildschirm. Das ständig aufleuchtende bitte warten hypnotisierte ihn.
    Weiczorek schien ebenfalls hypnotisiert. Ohne aufzublicken sagte er: »Haben Sie schon Türen abgeklappert?«
    »Ja. Nichts.«
    »Die Straßen abgesucht?«
    »Fünf Stunden lang.«
    Plötzlich drang lautes Geschrei durch die Glaswand.
    Ich kenn das Gesetz, Mann! Ich will meinen Scheißanruf!
    Weiczorek sah auf und brüllte: »Melino, kümmer dich um Mr. Torrentes.«
    Melino verschwand hinter der verspiegelten Wand.
    »Sie haben die Einlieferungszellen aber reichlich dicht neben dem Schreibtisch«, sagte Decker.
    »Ist nur eine Zelle«, sagte Weiczorek. »Und die ist deshalb so dicht neben dem Schreibtisch, weil wir sonst nirgends Platz haben. Wenn die Zelle voll ist, ketten wir sie an die Rohre. Einmal hat ’n Ganove so ein Theater gemacht, daß er sich ’ne Dusche mit eiskaltem Wasser verpaßt hat. Man sollte den ganzen Scheißladen in die Luft sprengen.«
    Weiczorek kratzte sich

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