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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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daß er eigentlich aufhören sollte. Denn seine Finger waren fast erfroren, und von dem Gestank wurde ihm ganz schummrig. Doch er machte immer weiter, bis die ganzen Innereien nur noch ein einziger blutiger Brei waren.
    Dann überraschte ihn der Alte an der Tonne und fragte, was er da machte.
    Er war vor Angst wie gelähmt und konnte nicht antworten. Wie sollte er erklären, wie gut sich das anfühlte, ohne wie ein Verrückter dazustehen?
    Doch der Alte schien es zu verstehen. Er sagte nur, wasch dich, wir gehn nach Hause.
    Der Knallkopf hätte nie so cool reagiert. Der hätte irgendwas Gemeines gesagt, und er hätte sich mies gefühlt.
    Aber zum Teufel mit dem Knallkopf. Der war hinüber, und das war auch gut so.
    Während er auf seinem Kissen lag, dachte er an das Bündel Geldscheine in seiner Brieftasche, der Notgroschen von der Alten, den der Junge zusammen mit ihrem Schmuck geklaut hatte, von dem allerdings das meiste wie Plunder aussah.
    Wenigstens die Perlenkette sah ganz gut aus und könnte ihm ein paar Dollar einbringen, wenn er einen anständigen Hehler fand.
    Wenn die verdammte Sonne jemals aufging.
    Sechs nach drei.
    Noch mehr warten, warten, warten.
    Und er steckte hier in diesem Dreckloch, in dem es nach Pisse und Pestiziden stank, in dieser Scheißbude mit Wänden aus Papier und einem Fußboden, der so klebrig war, daß er Angst hatte, barfuß zu gehen.
    Wer weiß, was da schon für ein Scheiß draufgelegen hatte?
    Die einzigen, die das nicht zu stören schien, waren die Kakerlaken. Wie üblich machte er sich ein Spielchen daraus, möglichst viele zu zerquetschen. Doch nach der zweiundzwanzigsten hörte er auf zu zählen.
    Eigentlich machte es überhaupt keinen Spaß, Kakerlaken zu zerquetschen. Die hatten ja überhaupt keinen richtigen Körper, nichts, was man wirklich fühlen konnte. Wie die Fischköpfe, doch die merkte man zumindest unter den Füßen. Der einzige Gag bei den Kakerlaken war, sie auszuquetschen und zu sehen, wie die weiße Pampe aus ihren Leibern spritzte.
    Er schloß die Augen und versuchte, den Lärm zu ignorieren, der von draußen durch das geschlossene Fenster drang. Es war mitten in der Nacht, doch die Straßen waren von Gehupe und Getute erfüllt, von Schreien und dem würgenden Geräusch, mit dem Betrunkene sich übergaben.
    Scheiß drauf. Morgen würde er ins Paradies fliegen – wo die Sonne das ganze Jahr scheint und die Puppen das ganze Jahr über geil sind.
    Aber erst mal hieß es warten, warten, warten.
    Er erinnerte sich, daß mal jemand gesagt hatte, wer warte, werde schließlich belohnt.
    Er dachte einen Augenblick darüber nach.
    Dann beschloß er, daß wer auch immer das gesagt hatte, ein absoluter Idiot gewesen sein mußte.

13
    »Ezra, meine Perlenkette ist verschwunden«, erklärte Breina Levine.
    Nach nur drei Stunden Schlaf rieb sich Ezra Levine müde und entnervt die Augen. »In dieser Situation machst du dir Sorgen wegen deiner Perlenkette?«
    Breina schob die einzelnen Teile in ihrem Schmuckkästchen herum. »Meine Perlenkette, meine goldene Kette, meine goldenen Armreifen …«
    »Sind wir letzte Nacht ausgeraubt worden?« fragte Ezra.
    »Ich weiß nicht«, sagte Breina. »Ich seh mal nach dem Silber.«
    Ezra saß auf der Bettkante. Seine Augen waren wund und geschwollen, seine Haut so gereizt, daß sie schon beim kleinsten Luftzug zu prickeln anfing. Seine Schläfen taten ihm vom Knirschen mit den Zähnen weh.
    Haschem stellte ihn auf die Probe. Das konnte der einzige Grund für einen so schweren Schicksalsschlag sein. Haschem stellte ihn auf die Probe genau wie Hiob.
    Wo mochte Noam jetzt sein? fragte sich Ezra. Wo war sein Sohn in diesem Augenblick. Er betete, daß dem Jungen nichts passiert war. Salzige Rinnsale liefen ihm die Wangen hinunter.
    Sie fühlten sich an wie flüssiges Feuer. Er hatte nicht geglaubt, daß er überhaupt noch Tränen hatte, doch sie flossen schon wieder.
    Breina kam zurück ins Schlafzimmer. »Das Silber ist noch in der Anrichte.«
    Ezra rieb sich die Wangen und sagte flüsternd: »Vermutlich hast du in all der Aufregung die Perlenkette bei Ima liegengelassen.«
    »Nein«, sagte Breina, »ich hab sie gestern gar nicht getragen …«
    »Breina, deine Kette interessiert mich im Augenblick nicht.«
    »Meinst du etwa mich ?« schrie Breina. »Meinst du, mich kümmert sie?«
    »Warum redest du dann die ganze Zeit davon …«
    »Ich rede überhaupt nicht davon …«
    »Dann hör doch bitte auf!« sagte Ezra.
    »Okay! Okay! Thema

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