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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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kümmert’s schon, wenn die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, was?«
    Decker nickte.
    »Nur daß einer der Cops ganz pflichtbewußt notiert hat«, fuhr Weiczorek fort, »daß die Puertoricaner im jüdischen Teil von Williamsburg in den Müll geschmissen worden waren, direkt neben einer dieser High-Schools nur für Jungen. Natürlich sagt keiner was – fragt man die Rabbis, sprechen die plötzlich nur noch Jiddisch. Haben ihr Leben lang in diesem Land gelebt und sprechen nur Jiddisch.«
    »Merkwürdig«, sagte Decker.
    »Bin ich ja froh, daß Sie das sagen. Ich finde es auch sehr merkwürdig, aber was soll ich machen? In ihren Schulen kann man sie hören, wie sie den Erstkläßlern beibringen: ›Das ist ein A. Das ist ein B.‹« Er schüttelte den Kopf. »Wenn Sie meine Meinung hören wollen, ich glaube, daß diese puertoricanischen Arschlöcher nichts Gutes im Schilde führten und daß die Judenjungs sie gechaptsumt haben.«
    Weiczorek grübelte einen Augenblick über seine Theorie nach. »Ich würd ihnen mehr Macht geben. Sie wollen in einer sicheren Gegend wohnen und haben keine Angst, dafür zu kämpfen.«
    »Die wissen sich schon zu helfen«, sagte Decker.
    »Ganz genau«, sagte Weiczorek. »Man muß sich gegenseitig helfen. Das ist das Problem heutzutage in Amerika. Jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil aus.« Er kratzte sich erneut am Kopf. »Tut mir leid, daß wir Ihnen nicht mehr sagen konnten. Ich hab ja die Telefonnummer der Familie. Ich halt die Augen offen, vielleicht taucht ja noch was auf. Normalerweise kommen die Kids ein paar Tage später nach Hause. Aber das macht die Warterei natürlich nicht angenehmer.«
    Störrisch wie die Maulesel.
    Nicht die Art Leute, die so leicht lockerlassen.
    »Noch eine Frage«, sagte Decker. »Glauben Sie, er könnte sich im Prospect Park versteckt haben?«
    »Eher unwahrscheinlich«, sagte Weiczorek. »Da er von hier ist, wird er kaum so dumm sein, das zu machen. Außerdem ist es kalt draußen.«
    »Nun ja, vielleicht seh ich mich trotzdem mal da um.«
    »Wie Sie meinen. Halten Sie bloß die Türen verschlossen und lassen Sie den Motor laufen.«
    »Danke für Ihre Hilfe.« Decker nahm eine Visitenkarte heraus und gab sie dem diensthabenden Sergeant. »Wenn Sie jemals einen Gefallen von unseren Jungs in Blau brauchen, rufen Sie mich an.«
    Weiczorek studierte die Karte und nickte. »Detective Sergeant First Grade – Sie müssen ja ein scharfer Hund sein.«
    »Nein, kein scharfer Hund. Ich bin wie euer Pitbull da an der Pinnwand. Ich beiße am liebsten in die Eier.«
    Weiczorek lachte. »Ich werd die Sache weitergeben und den Streifenwagen sagen, sie sollen auf so einen Jungen achten. New York oder Los Angeles, das spielt doch keine Rolle. Wir Cops helfen uns gegenseitig.«

12
    Warten, warten, warten.
    Er hatte die Schnauze voll vom Warten.
    In der Schule wartete man darauf, daß es klingelte, samstags zu Hause wartete man darauf, daß die Sonne unterging, am Eßtisch wartete man darauf, daß man endlich gehen durfte. Und dann die Warterei, bis der Alte die Fischkisten leergeräumt und sauber gemacht hatte.
    Der Alte. Er brauchte ewig dazu. Jeder Fisch wurde gezählt und in die Tiefkühltruhe oder in den Kühlschrank gepackt. Dann mußte er das ganze Eis auskippen. Der Alte kaufte ihm immer eine Cola, die er während der Warterei trinken konnte. Doch die Cola war immer vorher alle, und er mußte warten, warten, warten.
    Einmal war er, während der Alte die Fische verstaute, nach hinten zu den Mülltonnen gegangen – die für die Eingeweide. Draußen war es kalt. Er konnte sich immer noch erinnern, wie er gezittert hatte, wie der eisige Wind durch sein Flanellhemd gefegt war und im Nacken gestochen hatte. Der Hinterhof war naß und glitschig und stank bestialisch. Aber irgendwas zog ihn zu der verfluchten Tonne hin.
    Er klappte den Deckel hoch, und der widerlich süße Gestank drang ihm bis ins Hirn. Der Anblick ging ihm durch und durch. Er tauchte den Finger in den Abfall und rührte darin herum. Die Eingeweide waren noch weich, obwohl sie von einer dünnen Eisschicht überzogen waren. Zitternd rollte er sich die Hemdsärmel hoch und bekam von der Kälte auf den nackten Armen Gänsehaut. Mit einer ruckartigen Bewegung tauchte er beide Arme in die Tonne, ballte sie zu Fäusten und spürte, wie das eiskalte Blut und die Eingeweide durch seine Finger quollen. Es fühlte sich so gut an … so, nun ja … wie auch immer. Er machte weiter, obwohl er wußte,

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