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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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beendet. Zufrieden?«
    Ezra begrub sein Gesicht in den Händen, hob jedoch kurz darauf den Kopf wieder. »Wir wollen uns nicht streiten.«
    Breinas Unterlippe zitterte. Sie lehnte sich gegen die Wand und fing heftig an zu schluchzen. Seufzend erhob sich Ezra vom Bett und ging zu seiner Frau hinüber. Als er ihr eine Hand auf die Schulter legte, drehte sie sich um und ließ sich gegen seine Brust fallen. Er hielt sie eine Zeitlang fest, tätschelte ihren Rücken und ließ sie ihren Schmerz ausweinen. Ihre Tränen flossen in sein Unterhemd. Als sie sich ein wenig beruhigt zu haben schien, ließ er sie los und sagte, er müsse sich für die Schul fertig machen. Breina nickte und sagte, sie wolle sich auch anziehen.
    Sie dachte an ihren zweiten Sohn. Er war immer ein schwieriges Kind gewesen. Er war zu früh geboren worden, hatte ständig an Koliken gelitten und schlecht geschlafen. Als er größer wurde, wurde er eigensinnig und rastlos.
    Manchmal empfand sie eine tiefe Trauer für ihn, weil er so offenkundig einsam war. Dann nahm sie ihn in die Arme und ließ ihn ihre mütterliche Wärme spüren. Noam erwiderte ihre Umarmungen so heftig, daß sie ihre Knochen knirschen hörte. Doch dann machte er sich wieder von ihr los und zog sich in sein Schneckenhaus zurück oder fing an, wie ein wildes Tier um sich zu schlagen.
    Wenn sie versuchte, mit ihm zu reden, ihn fragte, was ihn bedrückte, verhielt er sich wieder ganz kindisch und begann, ihr dumme Fragen zu stellen.
    Woher wissen wir, daß es Haschem gibt, wenn wir ihn nicht sehen können?
    Solche Fragen würde sie aus dem Mund eines Vierjährigen erwarten, aber nicht von einem Jungen im Teenageralter. Er schien sich über sie lustig zu machen. Doch sie nahm ihn ernst und sagte, er solle seinen Rebbe fragen. Was er natürlich nie tat.
    So ganz anders als Aaron, das Musterkind.
    Wie konnten zwei Brüder so verschieden sein?
    Dann dachte sie an Kain und Abel, an Jakob und Esau.
    Schließlich trat sie in den begehbaren Wandschrank, schloß die Tür, zog ihren Morgenrock aus und streifte ihr Kleid über. Rasch zog sie den Reißverschluß ihres Kleides hoch und setzte sich die Perücke auf den Kopf. Als sie die Schranktür wieder öffnete, saß Ezra auf dem Bett und zog sich gerade die Socken an.
    »Ez?«
    »Was ist?«
    »Glaubst du, Noam hat die Perlenkette genommen?«
    Ezra blickte auf. »Warum sollte Noam deine Perlenkette nehmen?« Entsetzen trat in sein Gesicht. »Was? Du glaubst doch nicht etwa, er ist ein Fajgele?«
    »Nein, nein«, sagte Breina. »Ich dachte, Noam hat sie vielleicht genommen, um Geld …« Sie hielt mitten im Satz inne. »Mein Notgroschen!«
    Sie ging zur Tür, doch Ezra hielt sie zurück. Es war immer noch Jom Tow, und er würde ihr nicht erlauben, das Geld zu berühren und wegen einer so trivialen Angelegenheit gegen das Gesetz verstoßen. Wenn Noam das Geld genommen hatte, dann war es halt so. Wenn er es nicht genommen hatte, würde das Geld immer noch da sein, wenn Jom Tow vorbei war. Breina versprach, die Scheine nicht zu zählen, wollte aber nachsehen, ob sie überhaupt noch da waren. Wenn das Geld weg war, würde sie zumindest wissen, daß Noam ihre Perlenkette genommen hatte, und nicht ein Einbrecher. Kein Einbrecher hätte ihr geheimes Versteck gefunden, ohne das ganze Haus auf den Kopf zu stellen. Und zu wissen, daß sie letzte Nacht nicht ausgeraubt worden waren, wäre zumindest ein kleiner Trost. Ezra zögerte, dann sagte er, sie könne nach dem Geld gucken, solle es aber auf keinen Fall anfassen. Breina versicherte, sie hätte nicht vor, es anzufassen, und rannte aus dem Zimmer. Einen Augenblick später war sie wieder da.
    »Es ist fort.« Sie ließ sich auf das Bett sinken. »Das kann nur Noam gewesen sein. Dann muß er auch meinen Schmuck genommen haben. Das hätte ich selbst von ihm nicht erwartet.«
    »Es spielt zwar eigentlich keine Rolle«, sagte Ezra, »aber wieviel Geld hattest du da?«
    »Zweihundertfünfunddreißig Dollar«, sagte Breina. »Die hab ich mir zehn Jahre lang Penny für Penny zusammengespart. Wie konnte er mir das antun?«
    Die Antwort war Schweigen.
    »Ich seh mal nach den Mädchen«, flüsterte Breina. »Möchtest du einen Tee, Ez?«
    »Nein, danke.«
    Ezra spürte die Hand seiner Frau auf seiner Schulter und streichelte sie sanft. Kurz darauf hörte er, wie sich ihre Schritte leise entfernten und wie die Schlafzimmertür ins Schloß fiel.
    Als er allein war, mußte Ezra an die vier Söhne in der Pessachgeschichte

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