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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Sie in irgendeiner Form beleidigt habe.«
    »Das haben Sie nicht«, sagte Ezra. »Das Ganze zeigt mir nur mal wieder, wie falsch es ist, sich auf den ersten Eindruck zu verlassen.«
    War der denn bei mir so schlimm? dachte Decker.
    »Jetzt verstehe ich, warum Rina Sie geheiratet hat.«
    Decker war sich nicht ganz sicher, wie das gemeint war, aber er beschloß, es als Kompliment aufzufassen.
     
    Decker bat Ezra, sich nach der Schul mit ihm bei Frieda Levine zu treffen. Dann fragte er sich sofort, warum zum Teufel er ausgerechnet ihr Haus als Treffpunkt gewählt hatte. Es lag zwar eine gewisse Logik darin, weil dort gestern alles begonnen hatte, doch er hätte Ezra genausogut zu den Lazarus’ bitten können.
    Warum hatte er das getan?
    Warum?
    Zum Teufel mit der Analysiererei. Darüber würde er erst nachdenken, wenn er wieder in L. A. war. Wenn er in Sicherheit war.
    Decker erschien zur vereinbarten Zeit bei den Levines. Ohne zu klopfen öffnete er die Tür und trat ein. Die ganze Familie war bereits versammelt und begrüßte ihn mit einem leichten Nicken, mit traurigen Augen und der unausgesprochenen Bitte um Hilfe.
    Plötzlich fühlte er sich doppelt so alt, wie er war, weil er mehr oder weniger bewußt den Druck spürte, sich diesen Leuten beweisen zu müssen. Einerseits hätte er sich zwar am liebsten zurückgezogen, aber andererseits wollte er auch, daß sie ihn mochten, selbst wenn er letztlich nichts erreichen würde. Er nickte dem ganzen Clan ebenfalls zu und erklärte Ezra, er würde sich jetzt gern mit Noams Freunden unterhalten.
    Als sie gerade gehen wollten, geriet Ezra plötzlich ins Taumeln. Shimon fing ihn auf, und Jonathan griff nach einem Stuhl. Gemeinsam setzten sie ihren Bruder vorsichtig hin. Seine Mutter und seine Schwestern brachten ihm Wasser und fächelten ihm Luft zu. Nachdem sich sein Atem beruhigt hatte, erklärte Ezra, es seien bloß die Nerven, ihm wären plötzlich die Beine weggeknickt. Decker meinte, das sei kein Wunder bei all dem Streß, er hätte sich dafür aber trotzdem erstaunlich gut gehalten.
    »Vielleicht sollte lieber ich mit Akiva gehen«, sagte Shimon zu Ezra.
    »Ich geh mit«, sagte Jonathan.
    »Warum geht ihr nicht beide mit?« schlug Frieda Levine vor.
    Decker zwang sich, sie anzusehen. »Das sind zu viele Leute.«
    »Ja natürlich«, sagte Frieda. »Das wissen Sie sicher am besten.«
    Diese Augen! Sie baten ihn um Verzeihung, flehten ihn um Hilfe an. Verdammte Augen. Sie zogen ihn wie ein Strudel nach unten.
    Decker starrte auf seine Uhr. »Ich nehm Shimon mit. Nichts gegen Sie, Jonathan, aber die Leute in der Gemeinde haben sicher mehr Vertrauen zu Shimon.«
    Jonathan faltete die Hände. »Wie Sie meinen, Boss.«
    Decker mußte über die Art, wie er das sagte, lächeln.
    Als er und Shimon draußen waren, fragte dieser, worin denn seine Funktion bestände, außer ihn vorzustellen. Decker erklärte, daß er gern allein mit den Kindern reden wolle. Shimon sollte die Familien beruhigen, während er die Kinder befragte. Da er ein Fremder sei, hätten die Eltern möglicherweise ein ungutes Gefühl, ihn mit ihrem Nachwuchs allein zu lassen. Also wäre es Shimons Aufgabe, allen klarzumachen, was Decker für ein toller Typ sei.
    »Und wenn die Eltern dabei sein wollen?« fragte Shimon.
    »Das möchte ich ja gerade vermeiden«, sagte Decker. »Allein kann ich die Kinder dazu bringen, mir Dinge zu erzählen, die sie vor ihren Eltern nicht zugeben würden.«
    »Haben meine Kinder Ihnen denn unsere finstersten Geheimnisse erzählt?« Shimon bemühte sich, locker zu klingen, aber Decker wußte, daß mehr dahintersteckte. Shimon machte sich Sorgen darüber, was seine Kinder ihm gestern erzählt haben mochten und was für einen Eindruck sie gemacht hatten. Dabei waren sie sehr nett gewesen und offensichtlich gut erzogen.
    »Ihr Ältester hat mir erzählt, daß Sie komische Sachen mit einer Peitsche und einer Kette machen.«
    »Er hat die Handschellen vergessen«, sagte Shimon.
    Decker lachte.
    Es war kalt, aber die Sonne schien. Das helle Licht fiel keilförmig auf die Reihenhäuser vor ihnen und verlieh dem roten Backstein einen metallischen Kupferton. Die Gottesdienste waren seit mehr als einer Stunde vorbei. Sie hatten so lange gewartet, um sicherzugehen, daß die meisten Leute gerade beim großen Festessen waren. Jetzt um drei Uhr waren sie die einzigen auf der Straße. Ihre Schritte hallten auf dem blendend weißen Bürgersteig wider.
    Decker

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