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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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großer Mann – er brauchte weites, unverdorbenes Land. Nach seiner Scheidung hatte er als erstes Ranchland draußen in Tujunga gekauft.
    Sie waren am Ende der Treppe angekommen. Dannys Frau war blond und zierlich. Sie reichte Decker etwa bis zur Brust. Die Jungen waren ebenfalls klein, hatten aber etwas von der Fülle ihres Vaters geerbt. Sie sahen sich sehr ähnlich, hatten beide rotblonde Haare, helle Haut, volle Lippen und ein gespaltenes Kinn. Einer hatte allerdings helle Augen, während bei dem anderen die Iris so dunkel war wie Kohle. Sie erinnerten Decker an Ahörnchen und Behörnchen.
    Die Frau sagte: »Kann ich vor der Tür warten?«
    »Sie sollten lieber runtergehen.« Decker setzte sein professionelles Lächeln auf. »Ihre Gäste könnten Sie brauchen.«
    »Ja, da haben Sie recht«, sagte die Frau und eilte die Treppe hinunter.
    Decker schob die Jungen sanft in ihr Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
    In dieser religiösen Gemeinschaft waren Fotos von Models im Bikini oder von Rockstars verboten. Doch gegen Profisport hatte der örtliche Sittenkodex nichts einzuwenden. Die Wände waren gepflastert mit Postern von den Mets, den Yankees, den Knicks und den Giants. Überlebensgroße Gestalten sprangen nach Bällen, die unmöglich zu kriegen schienen, schwebten durch die Luft, um einen besonders dramatischen Slam Dunk zu machen, oder stießen durch Trauben von Leibern zum Touchdown. Das Zimmer war klein, und wenn man die Poster als Zuschauer betrachtete, wirkte der Fußboden wie eine winzige Bühne. Die Betten waren hintereinander aufgestellt, und auf dem Schreibtisch stapelten sich Papiere. Den Computer hatte man in einem Schränkchen untergebracht, das auf Hohlblocksteinen stand. Überall lagen Anziehsachen verstreut. Ein viereckiges vergittertes Fenster stand offen, um den schalen Geruch ungewaschener Kleidung zu vertreiben.
    Decker bedeutete den Jungen, sich auf ihre Betten zu setzen. Er selbst lehnte sich zwischen Don Mattingly und Steve Sax gegen die Wand. »Er war einer unserer Jungs«, sagte er und zeigte auf Sax.
    Die Jungen lächelten.
    »Wir waren traurig, als er wegging«, sagte Decker.
    »Wir waren traurig, als die Dodgers weggingen«, sagte der Junge mit den hellen Augen.
    Decker lächelte. »Ihr hattet die Dodgers hier auch nicht verdient. Ihr habt sie wie Penner behandelt.«
    »Die haben’s ja auch nicht gebracht«, sagte der dunkeläugige Junge. »Die haben gespielt wie die Penner.«
    »In L.A. haben sie sich bewährt«, sagte Decker.
    »Das ist wohl wahr«, sagte der dunkeläugige Junge in breitem Brooklyn-Akzent.
    »Wer von euch ist Moshe?« fragte Decker.
    Der helläugige Junge hob die Hand. Er schien etwa vierzehn zu sein. Der dunkeläugige Ephraim war offenbar ein oder zwei Jahre jünger. »Ihr wißt doch, wer ich bin?« fragte Decker.
    »Klar«, sagte Moshe. »Sie sind der Stiefvater von Shmuli und Yonkie. Der Cop.«
    Decker lächelte.
    »Der Mann von Mrs. Lazarus«, sagte Ephraim und sah Decker an. »Jetzt heißt sie wohl nicht mehr Mrs. Lazarus.«
    Decker lachte.
    »Sie ist sehr nett«, sagte Moshe.
    »Danke.«
    »Ja, sie ist sehr nett«, stimmte Ephraim zu.
    Es entstand eine vielsagende Pause, da das Offenkundige nicht ausgesprochen wurde.
    Sie ist sehr schön.
    Decker fragte sich, wie viele Jungen wohl in sie verschossen sein mochten.
    »Shmuli ist bei mir in der Schiur.«
    Sammy war zwölf. Wie konnte er mit diesem Jungen in einer Klasse sein? Dann erinnerte sich Decker daran, daß die Schiurim, der regelmäßige Talmudunterricht, nicht nach Alter, sondern nach Fähigkeiten erteilt wurden.
    »Ist Noam auch bei euch in der Schiur?«
    Die Jungen lachten nervös. Dann sagte Moshe: »Noam sitzt zwar mit bei uns rum, aber im Lernen ist er noch hinter Yonkie zurück.«
    »Er ist echt blöd«, sagte Ephraim.
    »Er ist nicht blöd«, sagte Moshe.
    »Er ist wohl blöd«, wiederholte Ephraim.
    »Er ist nicht blöd«, beharrte Moshe. »Er hat bloß immer Unsinn im Kopf. Als er seinen Parascha für die Bar-Mitzwa lernen sollte, hat er das bis zur letzten Minute aufgeschoben. Dann hat er das Ganze in drei Monaten auswendig gelernt. Er hat’s geschafft und auch das Mussaf gesprochen. Und er hat es gut gemacht. Er ist nicht blöd.«
    »Dann tut er, als ob er blöde war«, sagte Ephraim.
    »Das stimmt«, sagte Moshe und zu Decker gewandt: »Sie haben ihn noch nicht gefunden, oder?«
    Decker schüttelte den Kopf. »Seid ihr beide gute Freunde?«
    »Gute Freunde?« sagte Moshe. »Früher

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