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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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hatte grüne Augen mit abnorm erweiterten Pupillen. In jeder anderen Umgebung hätte Decker sofort gemerkt, wenn jemand zugedröhnt war. Doch hier hatte er das nicht erwartet. Eli hatte sich vermutlich vom Schulgelände geschlichen, um rasch einen Joint zu rauchen. Oder er hatte von den vielen Fragen Angst bekommen und war nach Hause gegangen, um Beweismaterial zu vernichten.
    »Ich weiß, daß Hersh dein Dealer ist, Eli«, sagte Decker unverblümt. »Und jetzt, wo wir das klargestellt haben, möchte ich von dir wissen, wo du ihn getroffen hast, beziehungsweise wo du dich mit ihm triffst? Ich darf doch wohl annehmen, daß du immer noch Kontakt zu deinem Dealer hast.«
    Den Kopf immer noch in den Händen begraben murmelte Eli etwas Unverständliches. Decker riß dem Jungen die Ellbogen vom Tisch, so daß sein Kopf nach vorn fiel. Dann schob er ihm seine Hand unters Kinn und sagte: »Du hast noch mal Glück gehabt. Du hast Glück, daß du mit mir und nicht mit jemand vom Drogendezernat sprichst. Du hast Glück, daß du mit mir und nicht mit deinen Eltern sprichst. Und du hast verdammtes Glück, daß du nicht Noam Levine bist, weil kein Mensch weiß, was mit ihm passiert ist. Das Leben dieses Jungen könnte von dir abhängen. Also hör mit diesem hysterischen Verhalten auf und beantworte gefälligst meine Fragen. Wo triffst du dich mit diesem Hersh?«
    Eli sah auf, die Augen feucht von Tränen. Mit zitternder Stimme sagte er: »Wir treffen uns an allen möglichen Orten, meistens auf der anderen Seite vom Empire Boulevard.«
    »Weißt du, wo dieser Hersh wohnt?«
    »Nein!« schrie Eli. »Ich schwöre, ich …«
    Shai mischte sich ein. »Er hat mir gegenüber mal erwähnt, daß er ursprünglich aus Flatbush kommt …«
    »Du verarschst mich doch nicht etwa, mein Junge?« sagte Decker.
    »Nein, Sir, ganz bestimmt nicht«, sagte Shai.
    Decker betrachtete Shai. Was immer das auch zu bedeuten haben mochte, der Junge schien bei klarem Verstand zu sein. »Hersh heißt also Schwartz oder Shatz oder so ähnlich mit Nachnamen. Und er stammt ursprünglich aus Flatbush.«
    Beide Jungen nickten. Pausbäckige Engel, die den Kopf hängen ließen.
    »Okay«, sagte Decker. »Aus welcher Gegend von Flatbush kommt er angeblich?«
    »Hat er nie erwähnt«, sagte Shai.
    »Keine Straße, kein Haus oder irgendwas Markantes in der Gegend?«
    »Nein, Sir«, sagte Shai. »Bei mir nicht.«
    »Bei mir auch nicht«, flüsterte Eli.
    »Hat Hersh mal über seine Familie gesprochen?«
    Beide Jungen schüttelten die Köpfe.
    »So so. Wenn er also seine Geschäfte nicht zu Hause abwickelt, wo habt ihr denn dann den Stoff von ihm bekommen?«
    »Er hängt in den Schnapsläden auf dem Empire rum«, sagte Shai.
    »In welchen?« fragte Decker.
    »In allen«, sagte Shai. »Er hängt immer mit einer Clique Italiener rum. Ich hab erst geglaubt, er wär Italiener, bis er mir mal erzählt hat, daß er eigentlich Hersh heißt.«
    »Welchen Namen hat er denn benutzt?« fragte Decker.
    »Tony«, flüsterte Eli.
    »Tony?« wiederholte Decker.
    »Yeah, Tony«, sagte Shai. »Er nannte sich Tony.«
    »Ich bin nicht von hier«, sagte Decker. »Könnt ihr mir sagen, was Flatbush für eine Gegend ist?«
    »Flatbush ist gemischt«, sagte Shai. »Es gibt einige sehr religiöse Viertel, dann gibt es schwarze Viertel und italienische. Deshalb hab ich geglaubt, er wär Italiener. Er hing mit Italienern rum, er sah italienisch aus, und er sprach sogar ein bißchen Italienisch. Aber einmal war er fürchterlich sauer auf seine sogenannten Freunde. Da hat er sein wahres Gesicht gezeigt. Er hat uns beiseite genommen und gesagt, er wär kein Spaghettifresser – seine Worte, nicht meine – und sein richtiger Name war Hersh. Er hat sogar ein bissel Jiddisch mit uns gesprochen, kannst du dich erinnern, Eli?«
    Keine Reaktion.
    Decker sah zu Eli. Er hatte den Kopf wieder in den Händen begraben. »Du trinkst jetzt mindestens einen Liter Wasser, dann machst du dir einen starken schwarzen Kaffee.«
    Eli stand brav auf und ging in die Küche. »Bring das Wasser hierher«, rief Decker ihm nach. »Ich möchte dich im Auge behalten.«
    »Ich nehme keine Drogen«, sagte Shai.
    »Spar dir die Worte, mein Junge. Das hier ist keine Beichte.«
    »Ich schwöre es Ihnen. Drogen sind gefährlich.«
    Decker betrachtete den Jungen kritisch. »Da hast du allerdings recht.«
    »Aber Eli … ich kenn ihn von ganz klein auf. Ich versuche, auf ihn aufzupassen. Sehen Sie, er hat ziemlichen Streß, weil sein

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