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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Shai. »Hersh hat Nolan – oder Noam – die ganze Zeit herumkommandiert. ›Geh hierhin, geh dahin, hol dies, tu das.‹ Nolan hat das einfach hingenommen.«
    »Hat er Noam mit dem Messer bedroht, als er ihn herumkommandierte?«
    Shai mußte lange nachdenken. »Ich glaube nicht. Daran würd ich mich erinnern. Aber ich kann mich erinnern, wie er mit seinem langen Messer herumgefuchtelt hat. Nur um damit anzugeben. Das war schon ziemlich unheimlich.«
    Mit unbewegter Miene stellte Decker Eli die gleiche Frage. Der Junge zuckte die Achseln und sagte, er könne sich nicht erinnern, daß Hersh jemals jemanden bedroht hätte. Decker nutzte Elis Aufmerksamkeit, um ihm ein bißchen ins Gewissen zu reden. »Dein Freund Shai hat mir erzählt, er war clean, er würde keine Drogen nehmen. Also rauchst du ganz allein.«
    Eli nickte.
    »Okay. Dann ist dieser kleine Vortrag nur für deine Ohren bestimmt, Eli. Bevor ich gehe, gibst du mir deine Vorräte. Dann hast du von meiner Warte aus – es ist immerhin bald Jom Kippur – eine reine Weste. Wenn du weiterhin mit Versagern herumhängen willst, ist das deine Sache. Aber denk doch mal einen Augenblick darüber nach. Das Leben mag dir zwar grausam erscheinen, aber Gefängnis ist schlimmer. Du mußt mit deinen Eltern reden, Eli. Sag ihnen, was dich bedrückt.«
    »Sie verstehen das nicht«, sagte Eli.
    »Sie verstehen vielleicht mehr, als du glaubst.«
    »Sie kennen meine Eltern nicht.« Eli schüttelte energisch den Kopf. »Sie kennen meine Eltern einfach nicht.«
    »Was hältst du von folgender Idee? Ich besorg dir jemand, mit dem du reden kannst.«
    Elis Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe kein Geld. Und ich habe kein Auto. Wer sollte denn hier in der Gegend mit mir reden? Und das auch noch ohne daß ich dafür bezahle? Und wer würde mit mir reden, ohne meinen Eltern davon zu erzählen? Mit wem könnte ich denn schon reden, der verstehen würde, wie ich gezwungen bin zu leben?«
    »Ich werde jemanden für dich finden«, sagte Decker ganz spontan.
    »Wen denn?« fragte Eli.
    »Das ist mein Problem. Allerdings mußt du die Finger von Drogen lassen, bis ich jemand gefunden habe.«
    Eine Minute lang herrschte Schweigen. Schließlich sagte Eli: »Wie lange dauert das denn?«
    »Drei Tage«, sagte Decker und nannte willkürlich eine Zahl. »Du nimmst drei Tage lang keine Drogen, und ich besorg dir jemand, mit dem du reden kannst. Ist das ein Deal?«
    Eli senkte den Kopf und murmelte: »Erzählen Sie meinen Eltern davon?«
    »Du nimmst doch keine Drogen mehr, oder? Was sollte ich deinen Eltern dann erzählen?«
    Eli antwortete nicht.
    »Junge, wenn du dein Leben ruinierst, werden es deine Eltern sowieso irgendwann erfahren«, sagte Decker. »Also versuch dir das zu ersparen. Und gib mir die Chance, jemand für dich zu finden.«
    Eli konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie liefen in kleinen Rinnsalen über seine glatten Wangen. Er nickte langsam, um sein Einverständnis zu signalisieren.
    »Okay.« Decker stand auf und legte Eli eine Hand auf die Schulter. »Jetzt wollen wir sehen, daß ihr wieder in die Schule kommt.«
    Eli nickte und bedankte sich mit gebrochener Stimme.
    Decker fragte sich, wie, zum Teufel, er jemanden für den Jungen finden sollte. Egal. Und wenn er ganz New York abgrasen müßte, er würde jemanden finden. Er forderte Eli auf, ihm seine Vorräte zu holen, und war überrascht, als der Junge mit einer ganzen Kaffeekanne voll erstklassigem Stoff zurückkam. Decker drängte sich der Gedanke auf, daß der Junge vielleicht selbst dealte. Aber vielleicht kaufte er auch nur günstig ein.
    Decker nahm die Kaffeekanne, kippte den Inhalt in die Toilette und spülte mehrmals nach. In den nächsten Stunden würde es wohl eine ganze Menge bekiffter Ratten in Brooklyn geben. Er ging zurück zu den Jungen und deutete mit dem Daumen auf die Haustür. Das Gespräch war beendet.
    Nachdem er die Jungen bei der Jeschiwa abgesetzt hatte, erzählte er Rina die ganze Geschichte und fragte sie, ob sie einen religiösen Psychiater kennen würde.
    »Nein«, sagte Rina. »Psychiater sind in der Gemeinde nicht besonders angesehen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Decker. »Ich muß aber jemanden finden.«
    »Du hättest ihm lieber einen Trip nach Disneyland versprechen sollen«, sagte Rina.
    Decker warf ihr einen giftigen Blick zu.
    »Manche Leute verstehen offenbar keinen Spaß.« Rina schwieg eine Weile. »Jonathan kennt bestimmt einen guten Therapeuten. Ich

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