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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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seine Augen wie eine Kamera.
    Die Wohnung war leer wie ein Motelzimmer, nachdem die Gäste abgereist sind. Im Wohnzimmer stand ein ramponierter Couchtisch, der mit tiefen Kerben übersät war. Auch die beiden nicht dazu passenden Beistelltischchen waren mit Messern malträtiert worden. Nirgends lagen Zeitungen oder Zeitschriften herum. Das Sofa war zerknautscht, der Teppich voller Fettflecken. Die vergilbten Jalousien waren heruntergelassen und schluckten fast alles Licht. Nur an einer Stelle drang ein Lichtstrahl durch, wo ein sauberer Schnitt mitten durch die Jalousie ging.
    Die kleine Küche, in hochglänzendem cremefarbenen Emaillack gestrichen, war eher ein Wandschrank als ein Zimmer. Sie ging gleich rechts neben der Wohnungstür ab und war schon länger nicht geputzt worden. Im Kunststoffboden fehlten ein paar Fliesen, und er war mit Dutzenden toter Kakerlaken gesprenkelt. Die mit Brandflecken verunstaltete Resopalarbeitsplatte war verdreckt. Um einen großen Fischkopf herum hatte sich eine Ameisenstraße gebildet. Die Tiere krabbelten in den Augenhöhlen und dem aufgesperrten Maul herum. Schubladen und Schränke standen auf und waren vollkommen leer geräumt. Im Spülbecken lag eine Mülltüte aus Papier voller benutzter Pappteller.
    In der ganzen Wohnung stank es nach Fisch. Trotzdem war Decker froh über das, was ihm seine Nase sagte. Kein Verwesungsgeruch. Er forderte die beiden anderen auf, an der Tür zu warten, während er sich umsah. Seine Stimme mußte irgendwas Gebieterisches an sich haben, denn Jerz gab keinen Mucks von sich.
    Decker sah sich die Abfälle genauer an. Pappteller, getrocknete Reste von gebratenem Fisch – selbst gekocht, nicht das übliche Imbißbudenzeug. In den Fischgestank mischte sich der säuerliche Geruch von Krautsalatresten und Remouladensauce – beides fertig gekauft. Benutztes Plastikbesteck. Er zog sich den Ärmel seines Jacketts über die Hand und schob die Teller beiseite, möglichst ohne Kakerlaken aufzuscheuchen. Er fand mehrere zusammengeknüllte Zettel und faltete den ersten auseinander.
    Uhrzeiten, Daten – von Flügen vielleicht, oder auch von Bussen.
    Er faltete den zweiten Zettel auseinander.
    Noch mehr Daten. Das Wort UNITED stand dort in dicken schwarzen Druckbuchstaben.
    Also Daten von Flügen.
    Abflugzeiten – 8:10, 9:20, 10:30 …
    Wohin?
    Er las den nächsten zerknitterten Zettel, der in derselben ungelenken großen Handschrift geschrieben war.
    HANK STEWART.
    DR. HANK STEWART.
    HANK STEWART, ESQ.
    HANK STEWART, ATOMPHYSIKER.
    Decker überflog die Liste. Ein Verrückter, der unter Größenwahn litt. Die letzten beiden Zeilen machten ihm angst.
    GOTT STEWART.
    Dann nur noch GOTT.
    Er steckte den Zettel ein, dann nahm er sich den nächsten vor.
    Noch mehr Uhrzeiten und Daten – das gestrige Datum war rot umkringelt.
    Decker fluchte vor sich hin.
    Den Scheißkerl um einen Tag verpaßt.
    Er hörte Rina seinen Namen rufen.
    »Ich bin noch hier«, sagte er.
    »Was hast du gefunden?«
    »Ein paar Zettel.« Decker ging wieder zu ihr und Jerz zurück. »War die Wohnung möbliert vermietet?«
    »Weiß nich«, sagte Jerz. »Müssen Sie Firma mit Buchstaben anrufen. Sie glauben, Stremmer ist abgehauen ohne bezahlen?«
    »Ich glaube, daß Stremmer soeben den Namen Hank Stewart angenommen hat.« Er zeigte Rina den Zettel.
    »Irgendein Hinweis, daß Noam hier war?« fragte sie.
    »Bisher nicht.« Er strich einen weiteren Zettel glatt – noch mehr Abflugzeiten – dann sah er sich die letzte Notiz an.
    Eine Liste von Gegenständen, die in einer anderen Schrift geschrieben war – Schreib- statt Druckschrift. Doch auch hier fehlte das Fließende, das die Handschrift eines Erwachsenen auszeichnet.
    »Das hier scheint jemand anders geschrieben zu haben«, sagte Decker. »Wir werden Breina und Ezra fragen, ob es Noams Schrift ist.«
    »Was ist das?« fragte Rina.
    »Eine Checkliste. Zahnbürste, Haarbürste, Taschenlampe, Sonnenöl, zwei Hemden, zwei Hosen, Strümpfe, Unterwäsche … hört sich an, als ob der Junge in ein Camp fahren wollte.«
    »Hast du eine Ahnung, wo sie hin sind?« fragte Rina.
    »Das stand nirgendwo auf den Zetteln«, sagte Decker.
    »Aber ich möchte wetten, daß wir bei den Flügen der United nach Fort Lauderdale, Miami, Los Angeles oder Hawaii die besten Chancen haben. Der Winter steht vor der Tür, und hier packt jemand Sonnenöl ein.«
    »Willst du bei den Fluggesellschaften anrufen?« fragte Rina.
    »Später. Erst mal seh ich mir das

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