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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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und wirkte etwa so bedrohlich wie ein Playboy-Bunny. »Ich glaub, Leuten angst zu machen, ist nicht gerade deine starke Seite, Rina.«
    »Jedenfalls warte ich nicht allein hier draußen. Und du verlierst zu viel Zeit, wenn du erst noch hin und her fährst. Laß mich doch mitkommen.«
    Obwohl es ihm eigentlich nicht behagte, stimmte Decker zu.
    An der Haustür stellten sie fest, daß das Haus gesichert war. Auf der linken Seite war eine lange Reihe numerierter Klingelknöpfe ohne Namen. Decker spähte durch die Glastür in einen schwach beleuchteten Flur. Der Boden war mit altem Linoleum ausgelegt. Die Tapete schälte sich von den Wänden. Rechts war eine Reihe Briefkästen zu erkennen.
    »Du hast bessere Augen als ich«, sagte er. »Guck mal, ob du den Namen des Hausverwalters erkennen kannst.«
    Rina kniff die Augen zusammen. »Ich kann überhaupt nichts erkennen.«
    »Verdammt.«
    Rina drückte ganz willkürlich auf einen Klingelknopf.
    Aus der Sprechanlage kam gedämpft ein genuscheltes: »Wer ist da?«
    »Wasserwerk«, sagte Rina. »In welcher Wohnung wohnt der Hausmeister?«
    »Hundertvier«, antwortete die Stimme.
    »Danke«, sagte Rina und sah Decker lächelnd an.
    »Sehr geschickt«, sagte Decker.
    »Jetzt kannst du übernehmen.«
    Decker lächelte sarkastisch und drückte auf 104. Er erklärte, wer er sei, und sofort wurde der Türdrücker betätigt.
    Der Hausmeister kam ihnen in einem zerrissenen Sweatshirt und einer Jogginghose, die ihm eine Nummer zu klein war, auf dem Flur entgegen. Er war ziemlich dick, hatte unordentliche schwarze Haare und einen ebensolchen Schnurrbart. Er stellte sich vor – irgendein unaussprechlicher slawischer Name – und fügte gleich hinzu: »Sie können mich Jerz nennen.«
    Den Blick auf Rina gerichtet fragte er: »Was kann ich für die Polizei tun?«
    Er hatte eine dröhnende Stimme mit einem starken Akzent.
    »Ich suche einen Mieter namens Hersh Schaltz.«
    »Hersh Schaltz?« Jerz dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte er den Kopf.
    »Wie steht’s mit Tony Sacaretti?«
    Jerz kannte auch den nicht.
    Decker zeigte Jerz den Computerausdruck. »Wer wohnt in 618?«
    »618?« Jerz kratzte sich am Kopf. »Das ist dieser Deutsche … Heinrich Stremmer.«
    »Heinrich Stremmer?« wiederholte Rina.
    Jerz nickte. »Typ von ungefähr einundzwanzig, schlank, aber breite Schultern. Viele Muskeln. Dunkle Haare. Sieht nicht sehr deutsch aus.«
    »Ich glaube, das ist er«, sagte Decker. »Könnten Sie uns bitte die Wohnung aufschließen?«
    »Warum klopfen Sie nicht an Tür?«
    »Ich glaub nicht, daß er da ist«, sagte Decker.
    »Ich weiß nicht«, sagte Jerz. »Zwei Leute schnüffeln hier einfach rum.«
    »Wenn Sie uns diesen kleinen Gefallen tun, schick ich Ihnen das Fahrgeld für den Bus und freie Eintrittskarten für Disneyland für Sie und Ihre Familie«, sagte Decker.
    Jerz’ Augen leuchteten. »Kein Witz?«
    »Kein Witz.«
    »Für mich, mein Frau und mein Sohn?«
    Gott sei Dank, er hatte nur ein Kind.
    »Für Sie alle drei«, sagte Decker.
    Jerz zuckte die Achseln. »Okay, ich mach’s für Sie. Aber kein Unordnung machen.«
    »Bestimmt nicht«, sagte Rina.
    »Ich glaub Ihnen«, sagte Jerz. »Kommen Sie mit.«
    Sie stiegen die Treppe hinauf. Jerz war außer Puste, als sie den sechsten Stock erreichten. Die Wohnung von Heinrich Stremmer lag in der Mitte eines dunklen muffigen Ganges, in dem es nach Urin stank. Aus den anderen Wohnungen waren leise Geräusche zu hören, der Geruch von billigem Essen drang durch die Türen. Im Flur war es kalt, und Rina zitterte ein wenig. Jerz klopfte erst an die Tür. Als sich niemand meldete, nahm er einen Schlüsselbund heraus.
    »Wissen Sie, ob Mr. Stemmer …«, sagte Decker.
    »Stremmer, Str-emmer.«
    »Mr. Stremmer«, korrigierte sich Decker, »mit der Miete im Rückstand war?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Jerz. Er hantierte mit seinen Schlüsseln herum. »Müssen Sie Besitzer fragen.«
    »Wem gehört denn das Gebäude?« fragte Decker.
    »Firma mit Buchstaben«, sagte Jerz. »ICMB, IBMC, BCIM … ah, da ist Schlüssel.«
    Jerz steckte den Schlüssel ins Schloß, und die Tür ging auf.
    »Oje«, sagte Rina.
    Decker empfand das gleiche, sagte aber nichts dazu. Die ersten Worte, die aus seinem Mund kamen, waren statt dessen: »Nichts anfassen!« Jerz wollte in die Wohnung gehen, aber Decker hielt ihn vorsichtig zurück.
    »Warten Sie«, sagte er.
    Dann tat er, was er immer tat, bevor er einen Verbrechensschauplatz betrat. Er benutzte

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