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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Hersh stand vom Bett auf und ging zum Koffer. Er wühlte darin herum und zog schließlich etwas metallisch Blinkendes heraus. Das sei die gleiche Waffe, die auch das LAPD benutze, erklärte er, eine halbautomatische Beretta. Er habe sie von einem Kumpel in Hackensack, New Jersey, gekauft – einem ehemaligen Häftling, der mit Schußwaffen handele.
    »Leute, die mal im Gefängnis waren, dürfen eigentlich keine Waffen haben«, sagte Hersh. »Aber das ist alles Blödsinn. Man kann alles kriegen, wenn man genug Geld hat und weiß, wen man fragen muß.«
    Er streichelte die Pistole vorsichtig.
    »Glaubst du, ich laß dich Pariser klauen, bloß um an Pariser zu kommen? Ja?«
    »Ich weiß nicht«, flüsterte Noam.
    »Das war nur ein Test«, sagte Hersh. »Ich wollt wissen, ob du auch mit größeren Aufträgen klarkommen könntest. Hab dich sozusagen für die nächste Runde getestet, kapiert?«
    Noam wurde nun endgültig übel.
    »Ich mein ja gar nicht, daß wir einen abmurksen sollen«, sagte Hersh. »Aber manchmal … du weißt doch, daß ich Messer liebe. Aber Messer bringen es nicht immer. Die Leute nehmen Messer einfach nicht ernst, und das kann eine Sauerei geben. Ich meine, wenn man was macht, will man’s doch sauber machen, oder etwa nicht?«
    Als Noam nicht antwortete, fuhr Hersh fort: »Messer sind wunderbar für einen Überraschungsangriff. Und wenn der Typ sich wehrt, stichst du einfach zu. Mitten zwischen die Rippen. Dann drehst du es noch ein bißchen – na ja, egal. Siehst du, ich liebe zwar Messer, aber ’ne Pistole wird eher ernst genommen.«
    Noam schwieg weiter. Wej is mir. Was hatte Hersh jetzt bloß vor?
    »Das mit den Parisern hast du gut gemacht«, sagte Hersh. »Weißt du, ich hab dich nur getestet. Jedenfalls herzlichen Glückwunsch, Nick-O.« Er drückte Noam die Waffe in die Hand. »Du hast den Test bestanden.«

19
    Vom Fenster des Flugzeugs aus erinnerten die flachen weißen Wolken unter ihnen an Seerosenblätter, die auf einem Teich schwammen. Decker kippte seinen Sitz ganz nach hinten und streckte die Beine aus. Er trug ein gelbgrünes Strickhemd, ausgebleichte Jeans und ein neues Paar Reeboks – das erste Mal in dieser Woche, daß er leger gekleidet war. Rina hatte den Aufpreis für die Business Class spendiert – eine ungeheure Wohltat für jemanden, der einsneunzig groß ist. Einen kurzen Augenblick döste er einfach vor sich hin.
    Rina kippte ihren Sitz ebenfalls nach hinten, bis er auf einer Höhe mit seinem war, dann streckte sie einen Arm aus und fing an, die verspannte Muskulatur in seinem Nacken zu massieren. Obwohl sie genauso schlicht gekleidet war wie er, strahlte Rina Anmut und Schönheit aus. Bei dem Gedanken, daß sie seine Frau war, überkam Decker jedes Mal ein Gefühl des Stolzes.
    »Fühlt sich gut an«, sagte Decker.
    »Hab ich die richtige Stelle getroffen?«
    Decker lächelte. »Du erwartest doch wohl nicht, daß ich das beantworte?«
    Sie lachte. Decker nahm ihre Hand von seinem Nacken und küßte ihre Finger. »Nett von dir, daß du mitgekommen bist.«
    »Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, nicht mitzukommen, Peter.«
    »Trotzdem vielen Dank.«
    »Gern geschehen.« Sie versetzte ihm einen leichten Kinnhaken. »Du hast ja wieder Farbe im Gesicht.«
    »Das ist das westliche Klima«, sagte er. »Ich brauch bloß an die Sonne in L.A. zu denken und krieg sofort einen Sonnenbrand.«
    »Du bist froh, wieder nach Hause zu kommen. Das ist nicht zu übersehen.«
    »Aber ich flieg ja nicht einfach so nach Hause«, sagte Decker. »Nicht solange die Jungs noch in New York sind und ich diesen Fall noch am Hals hab.«
    »Zumindest wirst du jetzt Cindy noch sehen, bevor sie ins College fährt.«
    »Das stimmt. Ein wunderbarer Nebeneffekt.«
    Rina seufzte. »Es tut mir leid, daß das alles passiert ist.«
    »Du kannst ja nichts dafür, daß der Junge weggelaufen ist.« Decker lächelte sie an. »Jetzt, wo ich etwas mehr Abstand zu den Leuten …«, der Familie, dachte er, »… habe, kann ich die Sache professioneller angehen. Es ist alles in Ordnung, Rina, ich hab’s im Griff.«
    »Freut mich, daß du so zuversichtlich bist.«
    Decker zögerte. »Habe ich einen Grund, nicht zuversichtlich zu sein?«
    »Überhaupt keinen.«
    »Das ist mein Beruf, Rina«, sagte Decker. »Ich bin seit zwanzig Jahren Polizist.«
    »Du bist der beste …«
    »Ich bin gut, aber nicht der beste.«
    »Du bist sehr gut.«
    »Verdammt gut.«
    »Verdammt gut«, wiederholte Rina.
    Decker hielt inne.

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