Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
seine neue Frau bereits vor ihren Schöpfer getreten. Offenbar waren die beiden Chemiker. Sie arbeiteten bei Darrick-Bothhell in Connecticut im Labor und sind vor einem Jahr bei einem ziemlich spektakulären Unfall ums Leben gekommen. Ihr Labor ist in die Luft geflogen.«
    Rina starrte ihn an. »Da läuft’s mir ja kalt den Rücken runter.«
    »Ihr Spezialgebiet war die Stabilisation von ätherischen Reinigungslösungen. Natürlich können Unfälle passieren. Ich bin sämtliche Berichte durchgegangen. Stapelweise. Kein Hinweis auf Brandstiftung oder ähnliches.«
    »Aber?«
    »Woher weißt du, daß es ein Aber gibt?«
    »Das hör ich an deiner Stimme«, sagte Rina. »Hab ich recht?«
    »Yep«, gab Decker zu. »Tagsüber waren immer ziemlich viele Leute im Labor. Als es in die Luft flog, arbeiteten Dad und Christine dort nachts allein.«
    »Hatte der Vater eine Lebensversicherung?«
    »Du denkst ja wie ein Profi«, sagte Decker. »Natürlich hatte er eine. Christine war die Hauptbegünstigte, doch der gute Hersh stand als zweiter auf der Liste. Die Versicherung hat die Sache schleifen lassen, denn immerhin soll hier eine Police von zweihundertfünfzigtausend Dollar an einen jungen Mann ausgezahlt werden, der vorbestraft ist. Bisher ist es der Versicherung gelungen, Hersh hinzuhalten, aber das kann nicht ewig so weitergehen. Schon bald wird Hersh/Tony/Heinrich/Hank ein reicher Junge sein.«
    »Und Hersh wurde von jedem Verdacht freigesprochen?«
    »Jedenfalls war er nicht in der Gegend, als das Labor in die Luft flog«, sagte Decker. »Das hat man als erstes überprüft. Er könnte natürlich jemanden angeheuert haben. Hersh hat ein bißchen gedealt und verkehrte in üblen Kreisen. Schon möglich, daß er einen Brandstifter oder einen Bombenleger beauftragt hat. Die Versicherungsgesellschaft hat ihn eine Weile beschatten lassen, doch nichts Belastendes gefunden. Und Hersh hat auch nicht auf die Auszahlung des Gelds gedrängt. Er meldet sich zwar immer mal wieder und fragt, wann’s denn soweit sei. Aber er hat sich keinen Anwalt genommen, um Druck zu machen.«
    Rina schwieg.
    »Vielleicht war es ja ein Unfall«, sagte Decker. »Oder vielleicht war das Motiv eher Rache als Geldgier. Offenbar ging Hershs ganzes Leben aus den Fugen, nachdem sein Vater abgehauen war. Leute, die die Familie gekannt haben, meinten, nach der Scheidung seien Hersh und seine Mutter die sprichwörtlichen wandernden Juden gewesen.«
    »Lebt die Mutter noch?«
    »Ich glaube, ja«, sagte Decker. »Jonathan hat gestern für mich in Williamsburg herumgeschnüffelt …«
    »Du hast Jonathan eingespannt?«
    »Es geht doch um seinen Neffen, Rina.« Decker lächelte. »Und ich brauchte jemanden, der Jiddisch spricht. Jonathan war froh, daß er helfen konnte.«
    »Ihr beide scheint euch ja immer besser zu verstehen«, sagte Rina.
    Decker gab ihr durch einen Blick zu verstehen, daß er über dieses Thema nicht reden wollte, und Rina fragte schnell: »Was hat Jonathan denn herausgefunden?«
    »Einige ehemalige Nachbarn erzählten, sie würden Mrs. Schaltz ab und zu in Williamsburg sehen. Offenbar ist sie zur Pennerin geworden.«
    »Das ist ja furchtbar«, sagte Rina. »Allmählich verstehe ich, warum Hersh so geworden ist.«
    »Yep. Obwohl verkorkste Kinder manchmal auch aus guten Familien kommen und liebevolle Eltern gehabt haben.«
    »Betrachte es doch mal aus Hershs Sicht. Seine Mutter ist eine Pennerin, und sein religiöser Vater hat die Familie verlassen, um eine Nichtjüdin zu heiraten. Ich hab doch erzählt, was ich in meinem Elternhaus als Heuchelei empfunden habe. Das war im Grunde keine Heuchelei, sondern nur eine gewisse Inkonsequenz. Ich kann mir gut vorstellen, was Hersh gefühlt haben muß.«
    Decker nickte.
    »Trotzdem jagt ein normaler Mensch nicht seinen Vater in die Luft, bloß weil er ein Heuchler ist«, sagte Rina.
    »Wer sagt denn, daß Hersh die beiden in die Luft gejagt hat?«
    »Was glaubst du denn?«
    »Ich glaube …« Decker hielt inne. »Ich glaube, daß es unklug ist, Hershs Zorn zu erregen.«

20
    Im Laufe des letzten Jahres hatte Mike Hollander um eine weitere Hosengröße zugelegt, doch das hinderte ihn nicht daran, sich genüßlich einen Doughnut in den Mund zu stopfen. Krümel fielen ihm aufs Hemd und in den Schoß, einer blieb an seinem Walroßbart kleben. Mit vollem Mund fragte er Decker: »Hast du’s nicht ohne uns ausgehalten, oder hat Rina sich als typische nörgelnde Ehefrau erwiesen?«
    Decker starrte ihn an und

Weitere Kostenlose Bücher