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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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»Jetzt Schluß damit.«
    Noam biß die Lippen zusammen.
    »Du hast ja nur zwei Päckchen mitgebracht«, sagte Hank. »Warum hast du nur zwei Päckchen genommen?«
    »Ich hab halt genommen, was ich gesehen hab …«
    »Weißt du, Nick-O, man sollte nie eine Sache halb machen.« Hersh schlug ihm leicht auf die Wange. »Das ist so, als würde man eine Bank wegen fünf Dollar überfallen, verstehst du, was ich meine? Aber was soll’s? Du hast ja noch Zeit zu lernen, capich?«
    Noam haßte es, wenn Hersh Italienisch sprach.
    »Außerdem«, fuhr Hersh fort, »ist das erst der Anfang. Ich wollte dich bloß mal testen, um zu sehen, wie gut deine Nerven sind. Offenbar gar nicht so schlecht.«
    Noam spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. »Wie meinst du das?«
    »Meinst du, ich hätte dich bloß in den Laden geschickt, um ein paar Pariser zu klauen?«
    Genau das hatte Noam geglaubt.
    »Ich hab größere Dinge vor«, sagte Hersh.
    Noam wartete, daß Hersh das erklären würde. Tat er aber nicht.
    »Was für Dinge?« fragte Noam.
    Und da war es wieder, dieses unheimliche schiefe Grinsen. Aber diesmal war es ganz bestimmt kein zufriedenes Grinsen. Es wirkte erschreckend bösartig.
    Hersh schmiß sich wieder auf das Bett. »Falt die Wäsche und fang dann an zu packen. Wir ziehen um, Nick-O.«
    Noam starrte ihn an. »Wohin denn?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Nein …«
    »Warum stellst du mir dann dauernd diese Fragen?«
    »Ich bin nur neugierig …«
    Hersh sprang auf und nahm ihn erneut in den Schwitzkasten. Aber diesmal tat es weh.
    »Du solltest nicht so neugierig sein, Nick-O. Das ist sehr gefährlich.«
    »Ich wollte ja nur …«
    »Halt die Klappe«, sagte Hersh und drückte fester zu.
    »Au, du tust mir weh …«
    Hersh stieß ihn heftig von sich. Noam fiel gegen das Bett.
    »Du nervst mich mit deinen Fragen, weißt du das, Nick-O?«
    Noam spürte, wie die Tränen wieder in ihm aufstiegen. Er blinzelte, um sie zu unterdrücken.
    »Jetzt pack und stell keine Fragen«, sagte Hersh.
    Noam antwortete nicht. Die Tränen ließen sich nicht aufhalten, deshalb begrub er seinen Kopf in den Händen. Dann spürte er einen Arm um seine Schulter.
    Das war das Problem mit Hersh. Man wußte nie, woran man war.
    »Stell mir keine Fragen«, sagte Hersh leise. »Das mag ich nicht.«
    Noam nickte.
    »Jetzt geh packen«, sagte Hersh.
    »Okay.« Noams Stimme war kaum zu hören. Er setzte sich in eine Ecke und begann, die Wäsche zu falten.
    »Wir suchen uns was Besseres«, sagte Hersh.
    Noam nickte.
    »Du willst doch wohl nicht ewig in so einem Dreckloch wohnen, oder?«
    Noam schüttelte den Kopf.
    »Also suchen wir uns was Besseres.«
    »Okay.«
    »Weißt du, ich hab Pläne, Nick-O. Meinst du, du kannst mir bei meinen Plänen helfen?«
    »Ich kann dir bei deinen Plänen helfen«, sagte Noam gequält.
    »Gut«, sagte Hersh. »Das hatte ich gehofft.«
    »Ich schaff das schon.« Noam versuchte seiner Stimme mehr Nachdruck zu verleihen.
    »Dann erzähl ich dir jetzt einen Teil meiner Pläne.«
    Während Noam darauf wartete, faltete er ein Hemd.
    »Plan Nummer eins«, sagte Hersh, »diese Nacht will ich bumsen. Ich laß mir ’ne Frau kommen. Wenn du ein Stück von ihrem Arsch abhaben willst, bist du herzlich eingeladen. Wenn nicht, dann wartest du im Badezimmer. Kapiert?«
    Noam nickte.
    »Hättest du denn Lust?« fragte Hersh.
    Noam schüttelte den Kopf.
    »Hey, würd dir aber ganz guttun.«
    Noam schüttelte erneut den Kopf.
    »Na schön«, schmollte Hersh. »Wie du willst.«
    Noam antwortete nicht, sondern faltete weiter Wäsche.
    »Hey, willst du denn nicht wissen, wie meine übrigen Pläne aussehen?« fragte Hersh.
    Noam schloß die Augen. Eben hätte Hersh ihm noch fast den Kopf abgerissen, weil er zu viele Fragen stellte, und jetzt war er sauer, weil er nicht genug Fragen stellte.
    »Wie sehen deine übrigen Pläne aus?« flüsterte Noam.
    »Die Sache mit der Erbschaft von meinem Alten sollte in den nächsten Tagen klar sein. Heute nachmittag ruf ich bei der Versicherung an. Ich hab alles geplant.«
    Noam nickte.
    »Aber bis dahin müssen wir irgendwie an Geld kommen, klar?«
    Noam hörte mit dem Wäschefalten auf. Sein Magen rebellierte jetzt regelrecht.
    »Sieh mal«, fuhr Hersh fort. »Wir sind so gut wie pleite. Mit dem Geld von deiner Alten sind wir nicht sehr weit gekommen. Und der Schmuck? Ich hab noch keinen guten Hehler gefunden. Wir brauchen Knete, kapierst du das?«
    Noam sah ihn an – dieses furchtbare schiefe Grinsen.

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