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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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nickte. Das konnte einen wirklich umbringen, daß man nie wußte, wie er bestimmte Dinge aufnehmen würde. Jetzt tat er wieder ganz freundlich. Vielleicht war das ein günstiger Zeitpunkt, ihn auf das Thema nach Hause fahren anzusprechen, dachte Noam. Aber irgendwas hielt ihn zurück.
    Fordere es nicht heraus.
    »Wenn du willst, kann ich die Wäsche falten. Darin bin ich echt gut. Meine … meine Mutter …«
    »Ich will nichts von deiner dämlichen Mutter hören, Nick-O. Sie ist ein Miststück. Das hast du doch selbst gesagt, oder?«
    Das hatte Noam nicht gesagt. Er hatte Hersh nur erzählt, daß seine Ima kritisch und gemein war und nie Zeit hätte, ihm auch nur eine Minute zuzuhören. Aber er hatte sie ganz bestimmt niemals ein Miststück genannt. Das würde er niemals tun. Aber er nickte trotzdem.
    Wie hatte er nur so dumm sein können!
    Noam schüttete die Wäsche aus dem Sack und fing an, sie zu falten.
    »Hersh?«
    »Hank«, sagte Hersh, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. »Wie oft muß ich dir denn noch sagen, daß du mich Hank nennen sollst, verdammt noch mal!«
    Yeah, diesmal war es Hank, dachte Noam. Im letzten halben Jahr hatte Hersh mindestens sechsmal den Namen gewechselt. Erst Tony und Frankie. Dann Heinrich und Hart. Hart wäre der Name eines Filmstars, hatte Hersh gesagt. Als Noam gesagt hatte, er klänge irgendwie wie der Name eines Fajgele, war Hersh furchtbar wütend geworden. Von da an war es Hank. Nicht vergessen! Hank! Hank! Hank!
    »Hank?« versuchte Noam es erneut.
    »Was ist?«
    »Ich hab sie«, erklärte Noam.
    Hersh richtete die Fernbedienung auf den Fernseher und schaltete ihn aus. Noam sah, wie er sich langsam umdrehte und sein Gesicht betrachtete. Dann setzte er sein schiefes Grinsen auf. Manchmal bedeutete dieses Grinsen, daß er zufrieden war, manchmal, daß er wütend war. Aber immer hatte dieses Grinsen etwas Unheimliches an sich, etwas Beängstigendes. Jetzt nickte Hersh.
    »Du hast sie?«
    »Ich hab sie«, sagte Noam.
    »Hey, hey, hey.« Hersh sprang vom Bett, nahm Noam in den Schwitzkasten und boxte ihn leicht gegen den Schädel. »Du hast ja doch was da drin. Ich hab dir doch gesagt, du kannst es.«
    Noam lächelte, doch am liebsten wäre er gestorben. Wenn der Apotheker ihn nun gesehen hatte? Wenn er ihn genau in diesem Augenblick bei der Polizei anzeigte? Wenn sie ihn ins Gefängnis warfen und dort verrotten ließen?
    Wenn? Wenn? Wenn?
    Die ganze Sache hatte wie eine spannende Abenteuergeschichte angefangen. Jetzt war sie zum Alptraum geworden.
    »Wo sind sie, Nick-O?« fragte Hersh.
    Nick-O? Ach ja, er war nicht mehr Nolan. Er war jetzt Nick-O. Nolan hatte Noam besser gefallen – wie Nolan Ryan. Doch Hersh bestand darauf, ihn Nick-O zu nennen, weil das cooler klang.
    »In meiner Tasche«, antwortete Noam.
    Hersh griff hinein und zog die Kondome heraus. »Hast du die extra großen besorgt?«
    Norman wurde rot. »Ich … ich wußte nicht, daß es verschiedene Größen gibt.«
    Hersh quittierte das mit einem boshaften Lachen. »Du bist ja so was von blöd. Du weißt absolut gar nichts. Aber du hast es trotzdem gut gemacht, Nick-O. Du hast es gut gemacht.«
    Noam versuchte Hershs Grinsen abzuschätzen. Er war wirklich zufrieden. Boruch Haschem.
    »Das hast du gut gemacht«, wiederholte Hersh. »Echt gut. Wie ein Profi!«
    Noam zuckte verlegen wegen des Kompliments die Achseln. Zu Hause hatte ihm noch nie jemand ein Kompliment gemacht. Immer nur an ihm herumgemeckert. Trotzdem war sein einziger Gedanke, wie er wieder nach Hause kommen könnte. Wie er sie anrufen könnte. Aber wenn Hersh das herausfände … Ihm schnürte es die Kehle zu, und ihm wurde so übel, als ob er noch längst nicht alles ausgekotzt hätte.
    Er spürte einen harten Schlag gegen seinen Schädel. Hersh hatte ihn schon wieder in den Schwitzkasten genommen.
    »Bist du noch da da oben?« fragte Hersh und klopfte gegen Noams Schädel.
    Noam entwand sich Hershs Griff. »Ich mußte lange warten, bis der Kassierer endlich mal von der Kasse wegging.«
    »Deshalb hast du so lange gebraucht?«
    Noam nickte.
    »Du kämst doch nicht etwa auf die Idee, jemanden anzurufen, Nick-O?«
    Noam riß die Augen auf. »Auf keinen Fall, Hank. Ganz bestimmt nicht. Wen sollte ich denn anrufen?«
    »Lügner«, sagte Hersh, doch seine Stimme klang gelassen. Er packte Nick-O noch einmal am Hals. »Das hast du gut gemacht.«
    »Ich habe niemand angerufen«, sagte Noam. »Ich schwör’s dir.«
    »Ich glaube dir«, sagte Hank.

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