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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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dreihundert Jahren getan hatten?
    Die Familie Levine kam ihm in den Sinn – der jüngste Sohn ein konservativer Rabbi.
    Und Decker war jetzt ein Orthodoxer.
    Es hat alles sein Für und Wider.
    Er drehte sich um und ging auf einem anderen Weg zum Haus der Lazarus’ zurück. Zuerst kam er an einem koscheren Delikatessengeschäft vorbei, dann an einem kleinen Café. Dort stand auf einem Schild in Englisch und Hebräisch: TEL AVIV – MILCHBAR – WIR FÜHREN ESPRESSO UND CAPPUCCINO.
    Ein Hauch von Modernität in einer zutiefst rückständigen Welt. Der Anblick ermutigte ihn.
     
    Als Decker das Haus betrat, hörte er aus der Küche ein noch größeres Gewirr von Frauenstimmen. Die Männer waren noch nicht aus der Mikwe zurück, und er fragte sich, wo die Jungen wohl sein mochten, dann hätte er wenigstens jemand, mit dem er reden konnte.
    Einen Augenblick war er versucht, sich nach oben zu schleichen, die Tür zu schließen und zu lesen, bis es Zeit war, in die Synagoge zu gehen. Doch das würde Rina verärgern. Nicht daß sie etwas dagegen hatte, wenn er sich zurückzog. Sie wollte einfach nur wissen, wo er war und was er gerade machte.
    Nachdem er so viele Jahre allein gelebt hatte, fiel ihm das am schwersten – immer sagen müssen, wo man hinging, und den Tagesablauf mit Rücksicht auf einen anderen Menschen planen. Natürlich wollte er immer wissen, wo sie war, aber das mehr aus Sicherheitsgründen.
    Oder zumindest redete er sich das ein.
    Er zog seinen Mantel aus, legte ihn über den Arm und blieb ein paar Schritte vor der Küchentür stehen.
    Inzwischen waren noch mehr Frauen gekommen. Es herrschte ein Betrieb wie in einem Ameisenhaufen. Unter all den Gestalten entdeckte er Rinas Rücken. Sie unterhielt sich angeregt mit einer älteren Frau. Sie schien Mitte fünfzig bis sechzig zu sein, hatte ein ovales Gesicht, tief liegende Augen und einen breiten Mund. Ihre Haut war feucht und glänzte von all dem Dampf, und sie strich sich ständig Strähnen ihrer brünetten Perücke aus der Stirn. Sie war groß, weder dick noch dünn, gut proportioniert und geschäftsmäßig gekleidet, als wäre sie auf einer Vorstandssitzung und nicht bei einem Kaffeeklatsch.
    Auf unheimliche Weise hatte sie etwas Vertrautes an sich. Er kämpfte gegen das unbehagliche Gefühl an, daß er sie schon mal gesehen hatte.
    Aber das war ja lächerlich. Er hatte sie noch nie im Leben gesehen.
    Jemand rief Frieda, und die Frau drehte sich um.
    Da wurde es ihm schmerzhaft klar.
    Plötzlich schien ihn alles zu erdrücken, die unerträgliche Hitze, die Wände des Hauses. Zwei unsichtbare bösartige Hände hatten ihn gepackt und versuchten, ihn zu erwürgen.
    Da bemerkte Mrs. Lazarus ihn. Ihre Lippen formten seinen Namen – Akiva.
    Er mußte hier raus.
    Raus aus dem Haus.
    Raus aus New York.
    Noch bevor sie seinen Namen herausbringen konnte, nahm Decker Reißaus und war bereits den halben Block hinuntergelaufen, bevor er merkte, daß jemand hinter ihm herrannte. Er drehte sich nicht um, konnte es einfach nicht. Irgend etwas Unfaßbares hinderte seinen Kopf daran, sich zu drehen. Mit äußerster Anstrengung gelang es ihm, aufzuhören zu laufen, doch seine Beine trieben ihn immer noch weiter. Schließlich holte ihn jemand ein.
    »Peter, bleib stehen!«
    Rinas Stimme. Sie war außer Atem.
    Decker ging weiter.
    »Bleib um Himmels willen stehen!« sagte Rina. »Ich … ich hab Seitenstechen.«
    Doch er ging weiter.
    »Was um alles in der Welt ist denn passiert ?« fragte Rina keuchend. »Du bist ja ganz weiß.«
    »Alles in Ordnung«, murmelte Decker. Rina bemerkte, daß auch er nach Atem rang.
    »Es ist nicht alles in Ordnung! Bist du krank? Brauchst du einen Arzt?«
    »Es war so warm da drinnen«, sagte Decker. »Das ist alles.« Er wollte seine Beine zum Anhalten zwingen, aber sie gehorchten ihm nicht.
    »Bleib endlich stehen!« schrie Rina.
    Ihre Stimme – so verzweifelt. Er verlangsamte seinen Schritt und sagte: »Ich wollte bloß einen Spaziergang machen.«
    »Aber du bist doch gerade erst von einem Spaziergang zurückgekommen.«
    »Ich wollte halt noch einen machen«, sagte Decker. »Was ist denn daran so schlimm?«
    Seine Stimme klang fremd – voller Zorn. Voller Angst.
    »Ich muß allein sein.«
    »Peter, bitte …« Sie packte ihn am Arm. »Ich liebe dich. Sag mir, was los ist!«
    Decker blieb abrupt stehen, nahm ihre Hand von seinem Arm und küßte ihre Finger. »Ich muß jetzt allein sein. Es tut mir leid, Rina, aber laß mich jetzt bitte

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