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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Rina. »Man weiß ja nie, wer vorher draufgelegen hat!«

21
    Rina würde nie begreifen, weshalb Männer ausrasteten, sobald sie am Steuer eines Wagens saßen. Dennoch nahm sie kommentarlos hin, wie Peter ständig die Spur wechselte, fluchte, mit der Faust auf das Armaturenbrett des zivilen Polizeifahrzeugs schlug und nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit anderen Fahrern redete, die ihn überhaupt nicht hören konnten. Ein Psychiater, der diese Situation außerhalb des Kontexts beobachten würde, hätte ihren Mann vermutlich für psychisch gestört erklärt.
    Zumindest konnte seine schlechte Laune den Tag kaum häßlicher machen, als er ohnehin schon war. Der Himmel war mit Wolken und Smog verhangen, die Luft roch nach Chemieabgasen, und die Temperatur war auf naßkalte fünfzehn Grad gesunken. Das war zwar nichts im Vergleich mit der eisigen Kälte in New York, aber für Los Angeles Anfang Oktober war es ungewöhnlich kalt. Schon unter günstigsten Bedingungen dauerte die Fahrt vom East Valley nach Inglewood über eine Stunde. Bei diesem Stop-and-go-Verkehr würde es sehr viel länger dauern. Das gab Rina allerdings Gelegenheit, während der Fahrt auf markante Punkte zu achten wie zum Beispiel das Fox-Hills-Einkaufszentrum, das nur einen Katzensprung von den dorischen Säulen des Al-Jolson-Mausoleums entfernt war. Zehn Minuten später kamen die Bohrtürme in Sicht, die wie Dinosaurierskelette aussahen, die nach Äpfeln schnappten.
    Sie hörte Peter »Scheiße« murmeln und wandte sich zu ihm. Statt sich zu entschuldigen fragte er nur: »Hast du dieses Arschloch gesehen?« Als Rina nicht antwortete, lenkte er den Wagen auf die äußerste rechte Spur und latschte dann auf die Bremse, um nicht auf den Honda vor ihm aufzufahren. Sie seufzte erleichtert auf, als er am Century Boulevard abfuhr.
    Decker sah auf seine Uhr, dann fing er an, neben seinem Sitz herumzugrapschen.
    »Was suchst du?« fragte Rina.
    Decker bog nach links und kurz darauf nach rechts in den Century Boulevard. »Meine Liste. Ich hab sie neben mein …«
    »Sie ist in meiner Handtasche«, sagte Rina. »Sie lag da so rum, und ich wollte nicht, daß sie verlorengeht …«
    »Würdest du mir das nächste Mal bitte sagen, wenn du meinen Kram nimmst?«
    Rina gab ihm die Liste und verschränkte die Arme über der Brust. Decker überflog die Adressen im Fahren. Seine Augen schossen zwischen dem Zettel und der Straße hin und her. Rina war versucht, etwas zu sagen, hielt es dann aber doch für klüger zu schweigen.
    Decker stopfte sich die Liste in die Hemdtasche.
    Links und rechts der Straße zum Flughafen standen Bürotürme, propere Hotels und Lagerhäuser. Früher waren an dieser Straße Dutzende zwielichtiger Absteigen gewesen, doch offenbar hatte der Lauf der Dinge den Boulevard gründlich gesäubert. Die Grundstücke waren zu teuer, um sie für Absteigen zu verschwenden, wo man doch auch in den meisten normalen Hotels Pornofilme gucken konnte. Warum sollte sich der leitende Angestellte Joe jr. mit etwas so Billigem abgeben, wenn er sich auch in einem sauberen Hotel mit Zimmerservice einen runterholen konnte?
    Decker fuhr bis zum Flughafen, wendete und fuhr dann zurück, weil er annahm, daß Hersh und Noam auch diese Strecke gekommen waren.
    Einige Absteigen waren allerdings immer noch da. Man erkannte sie an den großen Anzeigetafeln, die von blinkenden rosa und orangenen Birnchen eingerahmt waren und in geschwungenen Buchstaben die schlüpfrigen Vergnügungen anpriesen, die man dort drinnen finden konnte. Decker bog nach links auf einen großen Parkplatz. Das Motel war ein einstöckiges Gebäude mit schmuddeligem Putz und schmalen, hohen Fenstern. Das Foyer hatte ein Panoramafenster. Daneben standen zwei Automaten, einer für Softdrinks und einer für Eis. Beide sahen aus, als wären sie schon länger nicht mehr benutzt worden. Decker parkte und wandte sich an Rina.
    »Du solltest wohl besser mit reinkommen. Hier möchte ich dich nicht so gern allein lassen.«
    »Klar.«
    »Ich hab dich eben angeblafft«, sagte Decker. »Tut mir leid.«
    »Schon gut.«
    »Du hast aber wirklich viel Geduld.«
    »Einer von uns muß sie ja haben.«
     
    Der Mann an der Rezeption hielt die Fotos auf Armeslänge von sich. Sein Name war Clint Willy. Er schien Anfang Dreißig zu sein, hatte dünne blonde Haare und milchig blaue Augen. Seine Haut war mit Aknenarben übersät. Während er auf die Fotos starrte, wurden seine Augen größer.
    »Ich bin weitsichtig«, sagte

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