Tag der Entscheidung
ihn gelehrt, alle Seiten einer Angelegenheit zu untersuchen. »Wir haben sie dazu getrieben«, gestand er. »Aber ja. Lady Mara hat möglicherweise im Sinn, unseren Vertrag mit den Cho-ja zu brechen.«
»Das wagt sie nicht!« explodierte Tapek; doch die Erinnerung an Keyokes unverschämt herausforderndes Verhalten war Hinweis genug. Es gab nichts, was die Acoma-Hexe – die Götter mögen sie verfluchen – nicht versuchen würde. Gar nichts.
»Die Herrscher im Kaiserreich hätten niemals erwartet, daß sie die Macht der Minwanabi überleben würde, geschweige denn sie zerstören könnte«, erklärte Akani trocken. »Wir von der Versammlung sind schon lange daran gewöhnt, mit dem Einsatz unserer besonderen Position zu kämpfen. Wir haben vergessen, uns vor Streitigkeiten zu schützen, und unsere Selbstgefälligkeit bringt uns in Gefahr.«
Dann, als er in den Augen seines Kollegen wieder Zorn aufflammen sah, fügte der ehemalige Rechtsgelehrte hinzu: »Euer Beitrag in dieser Angelegenheit ist beendet, Tapek. So hat es die Versammlung beschlossen. Und jetzt kommt mit mir.« Er nahm die Transportvorrichtung in die Hand und aktivierte sie; dann griff er nach Tapeks Schulter. Die beiden Magier verschwanden mit einem Luftstrom, der Löcher in den treibenden Qualm zu reißen schien; dann wehte frische Luft über die in ihren letzten Zuckungen liegenden Bediensteten der Acoma.
Ihre Kühnheit hatte die Lady gerettet. Tapek hatte während seiner Suche niemals daran gedacht, jenseits der Straßen im tiefen, dichten Unterholz nachzusehen. Er sah nichts weiter als Maras äußere Aufmachung als verwöhnte edle Lady und hätte sich niemals vorstellen können, wie sehr sie die Reise nach Thuril verändert hatte. Außerdem hatte Mara nicht die nördliche Richtung nach Kentosam eingeschlagen, als sie die Sänfte und den Großteil ihrer Kompanie verlassen und begonnen hatte, mit hohem Tempo durch das unwegsame Gelände zu marschieren. Statt dessen hielt ihre Gruppe auf Südwesten zu, direkt auf den nächsten Cho-ja-Tunnel.
Sie und die Krieger marschierten ohne lange Pausen zwei Nächte hindurch. Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang des zweiten Tages, stolperte die Lady beinahe über ihre eigenen Füße. Saric ging neben ihr und stützte sie, obwohl er kaum weniger erschöpft war.
Der immer noch wachsame Kundschafter an der Spitze der Truppe hob eine Hand. Erst als Mara mit sanftem Druck zum Anhalten gebracht wurde, erkannte sie die Bedeutung seines Zeichens.
Die Vögel in den hohen Wipfeln der Ulo-Bäume hatten zu singen aufgehört.
Sie bedeutete der Wache hinter sich, ebenfalls stehenzubleiben, und fragte: »Was ist los?«
Saric lauschte. Der Befehlshaber der Eskorte forderte seine Krieger leise auf, die Baumkronen zu erkunden.
»Besteht Gefahr, daß wir in einen Hinterhalt geraten?« flüsterte Mara.
Der Kundschafter schüttelte den Kopf. »Hier wohl kaum. Selbst Diebe würden vor Hunger sterben, wenn sie sich in diesem Waldstück auf die Lauer legen würden. Hier kommen nur selten Reisende vorbei.« Er neigte den Kopf zur Seite und bemerkte als erster das Geräusch von herannahenden bewaffneten Männern. »Eine Patrouille, denke ich, Mylady.«
»Keine von uns«, schloß Saric. Er warf Befehlshaber Azawari einen Blick zu. Der Offizier nickte, während die kleine Gruppe handverlesener Krieger die Schwerter zog. »Wie weit sind wir vom Tunneleingang entfernt?« wollte Saric von dem Kundschafter wissen.
»Mindestens noch eine Meile«, kam die Antwort. Das war zu weit, als daß die erschöpfte Kompanie hätte rennen können, auch ohne eine mögliche Gefahr von hinten.
Saric trat vor seine Lady, die in der ausgeliehenen Rüstung schwitzte. Sie hatte das zusätzliche Gewicht tapfer getragen, doch ihre Haut war wundgescheuert von der ungewohnten Bewegung beim Gehen. Trotzdem wahrte sie weiterhin tapfer den Schein und griff nach dem Schwert an ihrer Seite.
Saric drückte kurz ihre Hand; seine übliche Schwäche für Fragen ging in der Dringlichkeit der Situation unter. »Nein. Wenn wir angegriffen werden, müßt Ihr fliehen und versuchen, Euch zu verstecken. Behaltet das Schwert bei Euch, um Euch hineinstürzen zu können, solltet ihr gefangengenommen werden. Doch zu versuchen, sich hier zu wehren, wäre dumm.« Etwas freundlicher fügte er hinzu: »Ihr habt keinerlei Übung, Mistress. Der erste Hieb würde Euch zu Boden werfen.«
Mara schaute ihm ernst in die Augen. »Wenn ich rennen muß, werdet Ihr mir folgen. Nacoya hat Euch
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