Tag der Entscheidung
wenn Mara ihn nicht davon abgehalten hätte, indem sie ihm die letzte Pergamentrolle in die Hand drückte.
»Ihr erhaltet einen Ehrenplatz im Clan Hadama, wenn Ihr es wünscht«, endete sie. »Würde Keyoke heute noch leben, er würde sagen, daß Ihr gut gelernt habt. Papewaio war immer der Sohn seines Herzens, nach meinem Bruder Lanokota. Ihr wart sein jüngster Sohn … und letztlich auch der, auf den er am stolzesten war.«
Lujan spürte einen wehmütigen Stich über den Verlust des alten Mannes, denn er hatte ihn immer gerecht behandelt. Er war auch der erste gewesen, der sein Talent zum Befehlshaber erkannt und gewürdigt hatte. Wie zum Salut gegenüber seinem früheren Offizier berührte er mit den Rollen die Stirn und akzeptierte ihren Inhalt mit einer eleganten, schwungvollen Bewegung. »Ihr seid sehr großzügig«, murmelte er zu Mara. »Wenn jeder Needra-Dieb in diesem Kaiserreich begreift, daß er so hoch aufsteigen kann, seid Ihr die Herrscherin über das Chaos.« Dann wurde er ernst und verbeugte sich. »Tief in meinem Herzen werdet Ihr immer meine Herrin sein, Lady Mara. Laßt die Farben des Hauses Lujan Grau und Grün sein: Grau als symbolische Erinnerung an meinen Anfang und Grün für meinen Dienst bei den Acoma, der mir diesen Höhepunkt an Ehre ermöglicht hat.«
»Grau und Grün sind die Farben des Hauses Lujan!« rief der kaiserliche Herold beim Podest, damit alle Lords es hören und sich merken konnten.
Mara lächelte erfreut über diese Ehre. »Und jetzt los!« flüsterte sie ihrem galanten, ehemaligen Offizier zu. »Jetzt müßt Ihr das Versprechen halten, an das zu erinnern ich Euch in Chakaha geschworen habe. Heiratet eine gute Frau, habt Kinder mit ihr und lebt bis ins hohe Greisenalter.«
Lujan salutierte fröhlich, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zurück durch die Reihen seiner jetzt Gleichgestellten, während der Kaiserliche Weiße rechter Hand des Kaisers leise murmelte: »Ich wette, es dauert nur eine Stunde, bis er vom Feiern betrunken am Boden hegt.«
Justin blickte in das vertraute Gesicht Arakasis. »Ihr solltet nicht so selbstgefällig klingen. Zu gegebener Zeit kommt auch Ihr noch an die Reihe.«
Obwohl der Supai der Acoma seinem jungen Herrn einen fragenden Blick zuwarf, weigerte sich Justin, die Aussage näher auszuführen. Er schaute streng geradeaus, die jungen Schultern steif aufrecht. Nicht alle kaiserlichen Bewilligungen an diesem Tag würden so erfreulich sein wie das Lordspatent für Lujan. Er nickte seinem Herold zu, und der Name von Hokanu von den Shinzawai wurde in der Audienzhalle ausgerufen.
Jetzt tauschten mehr als nur einzelne in den Reihen der Herrscher Blicke aus, viele von ihnen voller Eifersucht. Lady Mara hatte geschworen, eine gerechte Regentin zu sein, doch jetzt, vermuteten nicht wenige, würde sie ihre Käuflichkeit offenbaren, indem sie ihrem Ehemann zu einer hohen Position oder einem hohen Amt verhalf.
Doch auch wenn das stimmte, Hokanus Gesicht, während er sich dem kaiserlichen Podest näherte, war so hart wie Fels. Er sah weder erfreut noch verärgert aus; nur entschieden ausdruckslos, als er sich vor dem Licht des Himmels verbeugte.
Seine Ehrerbietung galt Justin; doch sein Blick, als er sich erhob, war unverwandt auf Lady Mara gerichtet. Auch sie schien nicht übermäßig erfreut über die Begutachtung ihres Ehemannes. Mit formeller Steifheit und noch blasser, als sie schon zuvor gewesen war, starrte sie hölzern nach vorn, als seine Kaiserliche Majestät seine Erklärung verkündete.
»Laßt alle Anwesenden hören und Beachtung schenken: Euer Kaiser tut, was er muß, für das Wohl des Kaiserreiches. Es ist ordnungsgemäß berichtet worden, entsprechend einer Zeremonie im Tempel Jurans, daß das Kind Kasuma von ihrem Vater übergeben wurde, um Erbe des Mantels der Acoma zu werden.« Justin hielt inne, er schluckte, und mit einer Männlichkeit, die weit über sein Alter hinausreichte, zwang er seine Stimme zur Ruhe. »Dies hat unsere Aufmerksamkeit auf die Shinzawai gelenkt, jetzt ein Haus ohne Erbe. Lady Mara, die von den Priestern Hantukamas für unfruchtbar erklärt wurde, bat daher um die Scheidung.« Justin senkte die Augen und betrachtete unbehaglich seine Füße. »Als Licht des Himmels und für das Wohl des Kaiserreiches halte ich es für angebracht, ihrer Bitte nachzukommen.«
Ein Raunen ging durch die vollbesetzte Halle.
Hokanu blickte verwirrt drein, doch sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Nur seine
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