Tag der Entscheidung
Ichindars nächster männlicher Verwandter konnte Justin auch mit Fug und Recht den Thron beanspruchen.
Jiro würde nicht allein wegen der Fehde mit den Acoma erfreut darüber sein, sich Justins und Kasumas entledigen zu können, sondern mit dem Thron als Ziel würde er mit besonderer Anstrengung daran arbeiten, Justin tot zu sehen. Und auch ein anderer Kandidat für Jehilias Hand würde nicht zu Gnade neigen, wenn es um einen rivalisierenden Erben ging. Justin war noch ein Junge, und tödliche »Unfälle« konnten in den Zeiten des Krieges nur zu leicht geschehen.
Mara hielt den schrecklichen Drang zurück, die Götter für diese furchtbare Schicksalswendung zu verfluchen. Sie würde ohnehin noch gegen die Versammlung kämpfen müssen, zählte jedoch darauf, daß deren Edikt Jiro im Zaum hielt, bis sie neutralisiert wäre; dieses tragische Attentat hatte ihre Kinder wieder in die politischen Wirren gestürzt – und mitten ins Zentrum des Konfliktes!
Hokanus Augen verrieten, daß auch er die Gefahr begriffen hatte, und ein etwas verwirrter Incomo sprach ihre größten Ängste laut aus. »Sowohl die Acoma als auch die Shinzawai wären auf einen Streich ohne Erben.«
Mara hatte sich jetzt wieder so weit unter Kontrolle, daß sie begriff, daß solch bedeutende Probleme nicht umgeben von den Truppen an den Docks besprochen werden sollten, und sie gab Hokanus Druck nach und machte sich durch die Reihen der drängenden Krieger auf den Weg zum Herrenhaus. In dunkler Vorahnung meinte sie mit leiser Stimme: »Ich sehe, daß du unsere Heimgarnison bereits mobilisiert hast. Um des Wohles unserer Kinder willen müssen wir Boten zu unseren Verbündeten und Vasallen schicken und sie auffordern, sich ebenfalls auf den Krieg vorzubereiten.«
Hokanu führte sie mit Händen über die Schwelle, die wie durch ein Wunder nicht zitterten. Er hielt nicht an, um zu erklären, daß ein solcher Ruf zu den Waffen sicherlich die Aufmerksamkeit der Versammlung auf sich ziehen würde, sondern sagte mit steinerner Stimme: »Incomo, kümmert Euch darum. Schickt unsere schnellsten Boten und solche, die loyal genug und bereit sind, bei diesem Dienst ihr Leben zu lassen.« An Mara gewandt, fügte er hinzu: »Während deiner Abwesenheit habe ich eine Kette von Boten aufgebaut, die zwischen hier und dem Shinzawai-Landsitz hin und her eilen. Arakasi half mir dabei, obwohl er das Projekt nicht guthieß. Es wurde hastig aufgebaut und erfordert viele Menschen und große Vorsichtsmaßnahmen, damit unsere Botschaften ohne Verzögerungen weitergebracht werden. Mein Cousin Devacai hat genug Schwierigkeiten gemacht, um nicht auch einer von Jiros Verbündeten sein zu können.«
Als Incomo mit seinen spindeldürren Beinen davoneilte, gab Mara mit einer Handbewegung Lujan und Saric zu verstehen, zu ihr zu kommen, um sich zu beraten. Als sie Kamlio etwas verloren hinter ihnen hertrotten sah, forderte sie das Mädchen auf, ebenfalls zu folgen.
Dann kehrten ihre Gedanken wieder zu dem Problem zurück, als Hokanu meinte: »Unsere Unterstützer werden rasch aufs Feld gebracht. Für eine Weile können wir einige unserer Truppen unter den Bannern unserer Verbündeten verbergen, doch das wird nicht lange gehen. Mögen die Götter auf unser Anliegen lächeln und Chaos und Staub in die Augen der Erhabenen streuen, um sie zu verwirren! Es wird eine Erleichterung sein, dieses Stillhalten endlich zu beenden!« Seine Augen zogen sich zusammen. »Die Anasati sind der Rache der Shinzawai zu lange ausgewichen, die ihnen für die Ermordung meines Vaters gebührt.« Dann hielt er inne und zog Mara in einer längeren Umarmung an sich, als er es in der Öffentlichkeit an den Docks hatte tun wollen. »Mein Liebling, was für eine furchtbare Rückkehr. Du bist nach Thuril gegangen, um einen furchtbaren Krieg abzuwenden, und jetzt kehrst du zurück und erfährst, daß das Spiel des Rates wieder einmal zu Blutvergießen führen wird.« Er blickte hinab in ihr Gesicht und wartete taktvoll, ohne Fragen über den Erfolg ihrer Mission zu stellen.
Mara spürte seine unausgesprochenen Fragen, verwundert darüber, daß sie ihm seine ungeschickte Haltung bei Kasumas Geburt nicht mehr länger vorzuwerfen schien. Die Tatsache, daß sie knapp dem Tod entronnen war, hatte die Prioritäten wieder zurechtgerückt. Als wären ihre beiden Häuser nicht gerade von großem Unheil bedroht, bezog sich ihre gemurmelte Antwort auf die Angelegenheit, die ihr am meisten am Herzen lag. »Ich bin über
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