Tag der Entscheidung
»Und weshalb nicht?« Ihr ganzer Körper bebte vor Anspannung. »Er ist ein rechtmäßiger Bewerber um das göttliche Amt des Kaisers.« Dann brach es in der nachfolgenden Stille in schmerzerfülltem Flehen aus ihr heraus: »Erkennt ihr denn nicht? Erkennt ihr es denn gar nicht? Er ist noch ein kleiner Junge, und es ist die einzige Möglichkeit, sein Leben zu retten!«
Sarics Verstand war schon immer sehr beweglich gewesen. Er war der erste, der die Bedeutung ihrer Worte erkannte und hinter Maras Angst blickte. Er wandte sich ohne jede Spur seines gewöhnlichen Takts an Hokanu, dessen Gesicht vollkommen starr war. »Sie hat recht. Justin würde, solange er lebt, für jeden anderen, der das Mädchen zur Heirat zwingt, eine ständige Bedrohung darstellen. Unabhängig davon, wie stark die Armee des selbsternannten Kaisers ist, er würde gleichzeitig Feinde mit auf den Thron ziehen. Kein Gesetzespunkt würde übersehen werden, und Maras Beliebtheit als Gute Dienerin würde zwangsläufig dazu führen, Justins Verbindung zum Kaiserlichen Geschlecht zu erkennen. Abweichler würden sich in einem gemeinsamen Aufschrei auf Justin stürzen, ob wir es wollen oder nicht. Andere sind möglicherweise bereit, uns alle zu töten, um die Gelegenheit zu erhalten, den Jungen als ihre Marionette auf den Thron zu setzen.«
»Bürgerkrieg.« Mara seufzte; sie klang tief verwundet. »Wenn Jiro oder ein anderer Lord die Krone erhält, haben wir keinen Kaiser, kein verehrtes Licht des Himmels, sondern nur einen noch glorifizierteren Kriegsherrn. Es wäre eine Mischung der schlimmsten Anteile der beiden Ämter, während wir das Beste zu verbinden trachteten.«
Hokanu rührte sich plötzlich. Er umfaßte ihre Schultern, und sie ließ ihren Kopf rechtzeitig gegen seine Brust sinken, damit ihr Tränenausbruch verborgen blieb; dann streichelte er sie in trauriger Zärtlichkeit. »Lady, fürchte niemals, meine Unterstützung zu verlieren. Niemals.«
Eingehüllt von seiner Wärme, fragte Mara: »Dann mißbilligst du meinen Plan nicht?«
Hokanu strich die Haare zurück, die sich im Fieber ihrer früheren Umarmung aus der Kopfbedeckung gelöst hatten. Sein Gesicht war plötzlich voller Sorge und dunkler Vorahnung. »Ich kann nicht sagen, daß ich den Gedanken liebe, Lady meines Herzens. Doch du hast recht. Justin wird ein gerechter Herrscher sein, wenn er alt genug ist. Und bis dahin können wir als seine Wächter weiterhin die Grausamkeiten des Spiels des Rates zurückdrängen und den Nationen eine neue Stabilität aufzwingen. Die Leute müssen sich alle seinem und Jehilias Anspruch fügen, und die Götter wissen, das Mädchen verdient einen Mann, der ihrem Alter und ihren Neigungen entspricht. Es würde ihr tatsächlich sehr schlecht gehen als Marionette, verheiratet mit einem Mann, der so fanatisch von seinen Zielen getrieben wird wie Jiro.«
Dann spürte er, daß seine Frau an den Verlust Ayakis dachte und daß wegen der Bedrohung Justins ihr Bedürfnis nach Alleinsein in diesem Augenblick alle anderen Angelegenheiten überwiegen mußte. Hokanu hob seine Frau hoch, bettete sie an seiner Brust und trug sie sanft aus der Schreibstube. Als er den Gang entlang auf ihr Schlafzimmer zuging, rief er Saric über die Schulter zu: »Wenn Ihr von Thuril einige Mittel mitgebracht habt, die die Versammlung ruhigstellen, können wir nur zu den Göttern beten, daß es wirkt. Denn wenn ich nicht ganz falsch liege, werden wir Jiro von den Anasati bald auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen.«
Als sie allein in ihren Gemächern waren, wehrte sich Mara ungeduldig gegen Hokanus Umarmung. »So viel zu tun – und so wenig Zeit.«
Hokanu ignorierte ihre Bemühungen und legte sie auf die üppigen Kissen auf ihrer Schlafmatratze, und nur seine im Kampf geschulte Geschwindigkeit ermöglichte es, daß er ihre Handgelenke umfassen konnte, als sie sich sofort bemühte, wieder aufzustehen. »Lady, wir wurden nicht unvorbereitet getroffen. Arakasi sorgte dafür, daß wir immer informiert waren. Keyoke ist ein fähigerer Stratege, als wir es sind, und Saric wird keine Zeit verstreichen lassen und sie schnellstens darüber in Kenntnis setzen, daß Justin seinen Anspruch erheben muß.« Als Mara ihren Blick in ihn bohrte, schüttelte er sie ein wenig unsanft. »Gönn dir eine Stunde! Deine Leute werden viel besser sein, wenn sie nicht immer abgelenkt werden. Laß deinen Kommandeur sich mit Irrilandi und Keyoke besprechen und seine Arbeit tun! Und dann, wenn er Zeit
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