Tag der Entscheidung
möglichen Fälle abstimmen.«
Während der Kommandeur der Acoma salutierte und davoneilte, betrachtete Hokanu seine Frau in zärtlicher Verzweiflung. »Mein tapferer Armeekommandeur, glaubst du wirklich, wir hätten uns während deiner Abwesenheit auf die faule Haut gelegt?« Er zog sie durch den gewölbten Gang in die Schreibstube, wo Kissen für eine Besprechung auslagen und ein Sandtisch jetzt den mit den Pergamentrollen ersetzte. Dort lag aus einem Lehmklumpen geformt eine Nachahmung der Provinz Szetac, mit den Reihen von Nadeln und Markierungszeichen, die ein Stratege benutzte, um die im Feld befindlichen Kompanien anzuzeigen.
Mara warf einen Blick darauf. Ihr Körper straffte sich, und ihr Gesicht bekam etwas Entschlossenes. »Was ich sehe, ist eine Verteidigungsaufstellung.«
Ihr Blick wanderte über den Sandtisch und blieb schließlich auf Saric haften, dem einzigen Berater, der jetzt noch anwesend war. Sie endete mit einem flehentlichen Blick auf ihren Mann: »Was wir zu verhindern suchten, einen allzu mächtigen Kriegsherrn, hat uns einen noch schwierigeren Weg beschert: Es gibt keinen Hohen Rat, der das Blutsrecht Jehilias, den Thron als Kaiserin zu erklimmen, bestätigen könnte. Solange die Versammlung nicht einschreitet, ist Justin als legaler Bewerber zwischen den Fängen eines komplizierten Plans gefangen; als solcher ist er entweder eine tote Marionette oder eine scharfe Waffe, die jede abweichende Gruppe als Entschuldigung benutzen kann, um dieses Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Ohne einen solchen Rat können wir keinen Regenten ernennen, der die Regierung an etwas Stabilität binden würde, bis durch eine vernünftige Lösung der Heiratsfrage ein neuer Kaiser bestimmen wird. Selbst wenn uns im Kaiserlichen Viertel viele unterstützen würden, um die Kontrolle ergreifen und den Rat wieder einberufen zu können, hätten wir eine Sackgasse, und es gäbe genug Gezänk und Mord, um die Nacht der Blutigen Schwerter wie eine Übung zwischen den Kompanien neuer Rekruten aussehen zu lassen. Die Gewalt würde anhalten, bis eines der Häuser stark genug ist, um die Unterstützung seiner Ziele erzwingen zu können.«
Saric blickte grimmig drein. »Welche Ziele, Mistress? Nach Ichindars kühnem Griff nach der absoluten Herrschaft – welcher Lord wäre da mit der Wiedereinführung des Amtes des Kriegsherrn zufrieden?«
»Ihr werdet es sehen.« Maras Worte klangen scharf. »Eine Ratifizierung wird es jedenfalls nicht geben. Selbst mit all unserer Unterstützung ist es unvorstellbar, daß ein Mädchen von zwölf Jahren regiert. Und Ichindars verwöhnte Erste Frau? Wenn Lord Kamatsu als Kaiserlicher Kanzler noch leben würde, könnten wir möglicherweise mit unserer Entschlossenheit eine Frau auf den Thron bringen, wo jetzt ein Mädchen ist. Doch wenn ich deine Bemerkung richtig verstanden habe, Hokanu, hat sich die Unterstützung des Clans der Kanazawai unter dem Druck deiner Rivalen und unzufriedenen Cousins aufgesplittert. Du besitzt das Amt, doch nicht den vereinten Clan, den dein Vater geschmiedet hatte. Möglicherweise wird Hoppara von den Xacatecas als unser Verbündeter auftauchen, doch Frasai von den Tonmargu ist noch immer Kaiserlicher Oberherr. Der Mann mag alt und schwach sein, doch er hat immer noch dieses Amt inne, und da er ein Clan-Bruder Jiros ist, bezweifle ich, daß er einen unabhängigen Weg beibehält, wenn das Chaos ausbricht. Nein, ein neuer Rat könnte das Blutvergießen jetzt nicht aufhalten. Statt dessen wird der erste Lord, der den Palast unter seine Kontrolle bringt, die Priester zwingen, Jehilia auf den Thron zu setzen, sie dann zu seiner Frau nehmen und sich selbst zum Kaiser ernennen.«
Saric schloß wie immer mit einer neuen Frage: »Ihr glaubt, daß Jiro hinter dem Attentat der Omechan auf den Kaiser steckt?«
Doch seine Worte blieben unbeachtet. Hokanu starrte voller Schrecken in die tiefen Augen seiner Frau. Er sprach mit sehr ruhiger Stimme: »Du denkst nicht über eine Verteidigung nach, Lady. Du wirst deine Truppen nicht aufrufen, sich mit den Kaiserlichen Weißen zu verbinden, um den Sturm aufzuhalten, der bald schon Kentosam erschüttern wird?«
»Nein«, gestand Mara in der eisigen Stille. »Das werde ich nicht. Wenn ich die Heilige Stadt zuerst erreiche, werde ich angreifen.«
»Justin?« In Saric Stimme schwang Ehrfurcht mit. »Ihr möchtet Euren Sohn als Jehilias Mann auf den Thron setzen?«
Mara wirbelte wie ein in die Finge getriebenes Tier herum.
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