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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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Festnahme auf den Schabbat gelegt – da war kein Rechtsanwalt darauf erpicht, seinen Mandanten zu sehen. Und sollte sich doch einer finden, würden seine Ermittler Nevo von einer Wache zur nächsten kutschieren, womit sein Anwalt ausreichend beschäftigt wäre.
    Er ging zur Tür, öffnete sie und betrat den Vernehmungsraum.
    Jetzt war er an der Reihe.

9
    Von diesem Eli Nachum hatte er nichts Gutes zu erwarten, das wusste Ziv Nevo gleich, als der seine schwarzen Augen auf ihn heftete. Er war klein, hager, kahl und hatte einen dünnen Oberlippenbart.
    »Wissen Sie, warum Sie hier sind?«, fragte Nachum ruhig und setzte sich ihm gegenüber. Nevo hatte sich den Raum wie im Film vorgestellt: mit einer großen, einseitig verspiegelten Scheibe, hinter der Polizisten standen, die ihn beobachteten. Dieser Raum war ein Kabuff: zwei Stühle, ein niedriger Tisch, Plastikbecher und ein Wasserkrug. Die Polizisten hatten ihm Handschellen und Fußfesseln abgenommen. Es war stickig und die Einrichtung so nüchtern, dass er immer nervöser wurde.
    Er schwieg. Seitdem die beiden Polizisten aus dem Einsatzwagen gestiegen waren, versuchte er eine Antwort auf diese Frage zu finden, spielte in Gedanken einzelne Szenarien durch, analysierte verschiedene Möglichkeiten. Auf der Fahrt hatte er versucht herauszukriegen, warum sie ihn mitnahmen und wohin sie ihn bringen würden. »Wir holen Sie zur Vernehmung«, hatten sie gesagt. »Wieso Vernehmung? Wollen Sie mich verhaften? Weswegen?«
    »Das erfahren Sie auf dem Revier«, hatten sie geantwortet.
    Warum die Polizei ihn vernehmen wollte, war ihm klar. Die Frage war nur, wie sie ihm auf die Schliche gekommen waren. Der Gedanke, dass die Sache bereits entschieden war, sie alles wussten, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Wenn es sich so verhielt, würde er viele Jahre absitzen müssen.
    »Ich habe Ihnen eine Frage gestellt …« Nachum durchbohrte ihn mit seinem Blick.
    Und wenn sie nicht alles wussten und im Dunkeln tappten? Gäbe er einfach alles zu, würde er sich unnötig in Schwierigkeiten bringen und einen zu hohen Preis zahlen. Er musste klug vorgehen. Auf der Hut sein. Durfte sich nicht von Nachum an der Nase herumführen lassen. Er hatte genug Fernsehserien und Filme gesehen, um zu wissen, wie Vernehmungsbeamte mit den Verdächtigen ihre Psychospielchen trieben, sie verwirrten und dazu trieben, Taten zu gestehen, die sie nie begangen hatten.
    »Haben Sie Ihre Zunge verschluckt? Antworten Sie gefälligst, wenn ich Ihnen eine Frage stelle«, schnauzte Nachum ihn an.
    Nevo trank einen Schluck Wasser aus dem Plastikbecher, der vor ihm stand. Am besten sagte er nichts, er würde erst mal abwarten, was sie gegen ihn vorzubringen hatten, bevor er sich selbst zur Strecke brachte. Wieso sollte er ihre Arbeit machen?
    »Antworten Sie!«
    »Nein, ich habe keine Ahnung«, entgegnete er rasch und so überzeugend wie möglich.
    Nachum schüttelte enttäuscht den Kopf, als wäre er ein Lehrer, der den Schüler für die falsche Antwort tadelte. »Schade, dass Sie es auf die harte Tour anlegen. Ich hätte Sie für intelligenter gehalten.«
    Die harte Tour – es überrieselte ihn kalt. Schweigend saßen sich die beiden Männer gegenüber. Nachum ließ ihn nicht aus den Augen, selbst als er sich Wasser in den Becher goss. Seine Augen richteten sich auf ihn wie ein Laserstrahl, bis er den brennenden Schmerz spüren würde.
    »Vielleicht wollen Sie mir trotzdem erzählen, warum Sie hier sind?«, unterbrach Nachum die Stille.
    »Hab ich Ihnen doch schon gesagt … Ich weiß es wirklich nicht … Ich habe keine …«, erwiderte er, und obwohl er selbstsicher klingen wollte, hörte er sich entmutigt an. Es fühlte sich an, als könnte Nachum mit seinem durchdringenden Blick seine Gedanken lesen, als wüsste er sehr wohl, dass er log.
    »Vielleicht fangen Sie damit an und sagen mir mal, was Sie gestern Nacht um halb zwei im Norden von Tel Aviv zu tun hatten?«, schnitt Nachum ihm das Wort ab.
    Er verspürte einen Stich in der Herzgegend. Sie wussten Bescheid. Ihm war sofort klar gewesen, dass die Sache schlecht ausgehen würde, als er den Mann bemerkte, der ihm folgte. Er hatte gehofft, dass er sich nur etwas einbildete, aber tief im Inneren hatte er gewusst, dass er es nur nicht wahrhaben wollte. Der Mann war nicht zufällig dort aufgetaucht, er würde ihn festnageln.
    »Was haben Sie gestern Nacht dort gemacht?!« Nachum brüllte jetzt und haute auf den Tisch, dass das Wasser aus dem Becher

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