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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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erfahren hatte, dass Nevo wegen Vergewaltigung verhaftet worden war. Wie kamen die Bullen auf Vergewaltigung? Schließlich wusste er am besten, was Nevo Freitagnacht in der Louis-Marshall gemacht hatte. Die Tatsache, dass die Polizei ihm Vergewaltigung vorwarf, hatte ihn ein wenig beruhigt. Selbst diese Blödmänner von der israelischen Polizei würden irgendwann schnallen, dass sie den falschen Mann hatten. Inzwischen war aber ein weiterer Tag vergangen und Nevo war immer noch nicht auf freiem Fuß. Das brachte ihn aus der Fassung. Was wollten die von ihm? Möglicherweise war diese ganze Festnahme wegen Vergewaltigung nur ein Manöver, um an Faro heranzukommen? Womöglich wussten sie Bescheid?
    Er würde kein unnötiges Risiko eingehen, hatte er beschlossen. Er hatte einen Weg gefunden, damit Me’ir – er hatte in einem Nachtclub einen Sicherheitsmann attackiert und saß zufällig gerade ein – ihn sich vorknöpfen konnte. Er sollte nicht einmal in Erwägung ziehen, zu singen. Ansonsten wäre sein Leben und das seines kleinen Sohnes in Gefahr. Selbst einer wie Nevo, der schwer von Begriff war, würde die Nachricht verstehen und die Klappe halten.
    Bisher hatte es Me’ir noch nicht geschafft, in Nevos Zelle zu gelangen, daher hatte Meschulam entschieden, keine unnötigen Risiken einzugehen und das Fahrzeug samt Sprengladung aus dem Verkehr zu ziehen. Schließlich wusste er, was die Polizei aus einem herausholen konnte. Insbesondere aus einem wie Nevo. Für den Fall, dass Nevo einknicken und ihnen von der Sprengladung erzählen würde, musste er dafür sorgen, dass sie nichts fänden, wenn sie das Viertel durchkämmten. Auf der Hinfahrt war ihm bewusst geworden, wie waghalsig es war, mit einer Sprengladung unterm Auto zu fahren, die jeden Moment hochgehen konnte, doch so, wie die Dinge lagen, wusste er keinen Ausweg.
    Seine Angst und seine Pläne waren jedenfalls unnütz gewesen. Der Wagen war verschwunden. Schlicht und ergreifend weg. Ob Nevo gesungen hatte und die Bullen den Wagen gerade auf den Kopf stellten? Wenn es so war – wieso saß sie dann ohne Polizeischutz zu Hause?
    Er verfluchte diese Frau, diesen Nevo und die heikle Lage, in die er sich gebracht hatte. Warum hatte er plötzlich auf eigene Faust gehandelt? Er kannte doch die Regeln.
    Sein Handy klingelte. Faros Nummer wurde angezeigt. Unwillkürlich ergriff ihn Furcht – hatte er Wind davon bekommen? Doch gleich darauf beruhigte er sich wieder. Solche Dinge würde Faro nicht am Handy mit ihm klären, die Bullen könnten mithören.
    Inzwischen arbeitete er dreizehn Jahre für Schimon Faro. Mit fünfzehn hatte er die Schule geschmissen und angefangen, in Schlomos kleinem Lebensmittelladen zu arbeiten. Ab und zu war Faro vorbeigekommen, und sie hatten sich unterhalten. Faro hatte sich für ihn interessiert, und er hatte ihm Rede und Antwort gestanden. Wer Faro war, wusste er nur zu gut, ihm hatte man Respekt zu erweisen. Als er ihm einmal eine größere Lieferung an die Haustür brachte, hatte Faro seine Kraft bewundert. Einige Tage darauf hatte Faro ihn im Laden darauf angesprochen, ob er hin und wieder als Kurier für ihn arbeiten wolle.
    Bis Faro ihn unter seine Fittiche genommen und einen Menschen aus ihm gemacht hatte, hatte er sich nirgendwo einfügen können. Ihm verdankte er das Leben. Hätte er damals mit sechzehn nicht bei Faro Zuflucht gefunden, gäbe es ihn heute wahrscheinlich nicht mehr, oder er würde das Los seiner Altersgenossen im Viertel teilen: Er wäre Junkie, Alkoholiker, Obdachloser, ein Nichts.
    Faro hatte ihn gerettet, das stand außer Zweifel. Immerzu hatte er sich anhören müssen, dass ihm nichts gelingen würde, er keine Zukunft habe. Einen Vater hatte er nicht. Eine Mutter auch nicht. Diese Hure war ständig zugedröhnt gewesen und hatte sowieso nur an sich gedacht. Allein wie ein Straßenköter war er gewesen, um den sich keiner in der Welt geschert hätte.
    Faro hatte ihm Arbeit, Würde gegeben, hatte ihn auf die Beine gestellt. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte einer in seine Richtung geguckt, hatte ihn wie einen Menschen behandelt, ihm gezeigt, dass ihm etwas an Meschulam lag.
    Anfangs hatte er tatsächlich nur als Kurier gearbeitet, doch allmählich waren ihm andere Aufgaben übertragen worden. Faro hatte sein Potenzial, seine bedingungslose Treue erkannt. Für ihn würde Meschulam durchs Feuer gehen, das wusste er. Und hätte er nicht diese niedrige Reizschwelle, über die er, so sehr er sich auch bemühte, keine

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