Tag der Vergeltung
Schließlich habe ich keine Vergewaltigung begangen«, legte er nach, in erster Linie, um sich selbst Mut zu machen.
»Warten wir ab«, sagte Rosen und setzte sein selbstherrliches Grinsen auf. Er war nur einige Jahre älter als er und schien Meilen entfernt von den glamourösen Anwälten in maßgeschneiderten Anzügen aus dem Fernsehen. Um sich einen solchen Anwalt zu nehmen, fehlten ihm andererseits die Mittel.
Den einen Telefonanruf, der ihm zugestanden wurde, hatte er genutzt, um seinen Bruder Itai zu kontaktieren. »Du Idiot, wie konntest du dich in so was reinziehen lassen?«, schrie der ihn an, als er ihm seinen Aufenthaltsort verriet. »Seit du Merav verlassen hast, geht es mit dir nur noch bergab, das kann doch nicht wahr sein«, teilte er aus. Ziv riss sich am Riemen. »Ich brauche Geld für einen Anwalt«, sagte er mit ruhiger Stimme und erklärte ihm, dass er zu seinem Pflichtverteidiger kein Vertrauen habe. Itai stellte ihm keine Hilfe in Aussicht. »Nurith und mir steht das Wasser bis zum Hals, wegen des Kredits für die Eigentumswohnung«, sagte er. Ziv schluckte. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte er sich dazu breitschlagen lassen, dass die größte Summe aus der Versicherung an Itai ging, da seine Hochzeit bevorstand. Er ließ es dabei bewenden. Früher waren sie mal beste Freunde gewesen. Man hatte sie immer für Zwillingsbrüder gehalten. Seit dem Tod der Eltern war ihr Verhältnis jedoch eingeschlafen. Die Scheidung von Merav hatte ihr Übriges getan. So wie der Rest der Welt hielten auch Itai und Nurith zu ihr und gaben ihm die Schuld. Itai hatte ihm nicht ein Mal versichert, dass er ihm glaube, an seiner Unschuld keinen Zweifel habe. Er registrierte es erst, nachdem er aufgelegt hatte.
* * *
Die Tür ging auf und Ohad Bar-El, Nachums Stellvertreter, betrat den Raum, in dem er mit Rosen geredet hatte.
»Los geht’s, die Vorstellung beginnt«, sagte er trocken.
Rosen gab Ziv die Hand und sagte: »Ich bin mit Adi Regev und den Polizisten in einem Raum und werde die Sache genauestens verfolgen. Viel Glück.«
Er stand auf und folgte Bar-El Richtung Gang. Zivs Herz raste. Und wenn die Dinge sich nicht aufklären würden? Wenn etwas schiefginge? Was dann? Die Polizei könnte Männer neben ihn stellen, die nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihm hatten, schoss es ihm durch den Kopf. Um Adi Regev zu verwirren. Allein deswegen würde sie auf ihn zeigen. Warum war er bloß nicht vorher, bei seinem Gespräch mit Rosen, darauf gekommen?
Doch als er die Männer sah, die mit ihm vor dem Raum warteten, beruhigte er sich ein wenig. Alle hatten mehr oder weniger seine Größe, den gleichen Körperbau. Er zählte sieben, mit ihm waren sie acht. Er hörte aus ihren Unterhaltungen heraus, dass fünf von ihnen Polizisten waren, die anderen zwei saßen wie er in U-Haft.
Die Dinge mussten sich aufklären, was sonst, schließlich hatte er keine Vergewaltigung begangen, war dieser Adi Regev nie im Leben begegnet, sprach er sich Mut zu.
Bar-El führte sie in einen engen Raum, an einer Wand waren Ziffern angebracht, auf der anderen ein Spiegel. Genau wie im Film.
Unter welcher Nummer er stehen wolle, fragte Bar-El ihn. »Nimm bloß nicht die fünf«, sagte einer der beiden aus der U-Haft zu ihm, »sie nehmen immer die fünf.«
»Na los, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, drängte Bar-El ihn, während Ziv überlegte.
»Vier«, sagte er schließlich, »ich bin die vier.«
Sie stellten sich in einer Reihe auf und warteten. Was sollte er jetzt tun? Wie sollte er sich hinstellen? Welche Miene sollte er aufsetzen? Eine ernste? Eine gelassene? Eine fröhliche? Hätte er es mal mit einem Vergewaltiger zu tun gehabt, würde er versuchen, sich von ihm zu unterscheiden, doch was wusste er schon über Vergewaltigungstäter?
Die enorme Anspannung machte es ihm schwer, ruhig auf einer Stelle zu verharren. Er trat von einem Bein aufs andere, bis er sich dabei ertappte und stillstand. Dass er mit seiner Unruhe Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, war das Letzte, was er vorhatte.
Er sah zum Spiegel. Was sich wohl jetzt dahinter abspielte? Unter Umständen war die Tatsache, dass es sich so lange hinzog, ein gutes Zeichen. Adi Regev war unsicher. Sie versuchte unter ihnen den Täter herauszufinden, weil die Polizei ihr gesagt hatte, dass er sich dort im Raum befände, doch es gelang ihr nicht. Als die Tür aufging und Bar-El hereinkam, zuckte er zusammen.
»Das war’s«, sagte er monoton.
Er folgte Bar-El den Gang
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