Tag der Vergeltung
Diese Mistkerle, hatten sie es erst einmal auf einen abgesehen, ließen sie einem keine Ruhe mehr.
Faros Wagen hielt vor dem Dönerladen. Gleich würde Sami aussteigen und für alle etwas zu essen organisieren. Auch für ihn. Er musste nicht einmal darum bitten. Er musste auch nicht sagen, was genau er in seinem Pitabrot haben wollte. Sie wussten es. Faro und die Leute, die bei ihm arbeiteten, waren eine Familie.
Er hielt in sicherem Abstand zu Faros Wagen. Es begann zu regnen und er machte die Scheibenwischer an. »Die Worte, die wir gewechselt haben, schlagen meine Zeit tot; die vielen Jahre warten, was bleibt mir überhaupt?«, sang Schlomi Saranga. Vielleicht musste er darüber nachdenken, sich in feste Hände zu begeben und eine Familie zu gründen, wie Faro sagte. Er hatte niemanden. Hatte nie wirklich jemanden gehabt. Obwohl Zeit vergangen war, waren die Wunden aus der Vergangenheit bis heute nicht verheilt.
Plötzlich schaltete ein Einsatzwagen hinter ihm die Sirene ein und riss ihn aus seinen Gedanken. Dann folgte ein weiterer Wagen und noch einer. Ein ganzer Konvoi. So viele hatte er noch nie auf einmal gesehen. Er verkrampfte sich auf seinem Sitz. Hier war etwas im Gange. Sie umstellten Faros Auto von allen Seiten. Er wollte aussteigen, seinem Boss beispringen, doch er zögerte, hielt sich am Lenkrad fest. Würde er sich zeigen, wäre Faro sauer auf ihn, zu Recht.
Ein Polizist klopfte an die Tür des schwarzen Mercedes, und das Fenster wurde heruntergelassen. Was dort gesprochen wurde, konnte er nicht hören. Er konnte nur sehen, wie der Polizist Faro per Handbewegung bedeutete, aus dem Auto zu steigen. Dass sie so mit seinem Boss umgingen, versetzte ihn in Weißglut, es fühlte sich an, als würde ihm einer in den Magen boxen.
Verdammte Scheiße, fluchte er. Sie machten hier oft Zwischenstopp. Er hatte Faro gewarnt, dass es riskant sei. Doch sein Boss liebte Nissims Dönerladen.
Faro stieg aus und der Polizist drehte seine Hände auf den Rücken und legte ihm Handschellen an. Meschulam spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Am liebsten hätte er auf diesen Bullen geschossen. Auf der Stelle. Egal mit welchen Folgen.
Er hieb auf das Armaturenbrett, die Musik verstummte. Jetzt sah er die Fernsehkameras und Pressefotografen. Wie eine Viehherde, wie Raubtiere stürzten sie auf Faros Auto zu. Faro war es gewohnt, bei allen möglichen Ereignissen abgelichtet zu werden, doch jetzt wandte er sich von den klickenden Kameras und grellen Blitzlichtern ab. Sie alle schienen von der Verhaftung gewusst zu haben. Nur Faro und seine Leute nicht.
Faro wurde zu einem Polizeifahrzeug abgeführt. Kurz bevor er einstieg, sah er herüber zu Meschulam, dessen Herz sich zusammenzog.
Noch geraume Zeit blieb er in seinem Wagen sitzen, die Einsatzwagen und Fotografen waren längst über alle Berge. Immer wieder hieb er mit seiner Faust auf den Lenker und fluchte.
Es war nicht das erste Mal, dass die Polizei Faro festnahm. Hin und wieder griffen sie zu dieser Maßnahme, um die Muskeln spielen zu lassen und zu demonstrieren, wer im Staat das Sagen hatte. Doch an ein solches Medienspektakel konnte er sich nicht erinnern.
Faros Blick ließ ihn nicht los. Er hatte besorgt gewirkt. Diese Verhaftung schien auch auf ihn einen anderen, einen ernsthaften Eindruck gemacht zu haben. Nun wurde ihm heiß: Vielleicht war die Sache mit Nevo ein Bluff gewesen? Als er das Auto mit der Sprengladung nicht gefunden hatte, hätte er kapieren müssen, dass etwas faul war. Sie hatten also in aller Ruhe einige Tage abgewartet, um sie einzuschläfern, ihnen das Gefühl zu geben, dass er nicht ausgepackt habe, und nun fielen sie mit voller Wucht über sie her.
34
Gili kletterte ins Bett und sie wachte auf. Merav beobachtete, wie er sich geschickt in den Spalt zwischen ihr und Ziv zwängte, sich die dicke Decke überzog, seinen kleinen Kopf auf das Kissen neben ihr legte und die Augen schloss.
Alles war so schnell gegangen. Vielleicht zu schnell. Hätte ihr vor einer Woche jemand prophezeit, dass sie so erwachen würde, hätte sie es als Spinnerei abgetan. Doch nun lag sie hier, in einem Bett mit ihrem Sohn, ihrem früheren Mann, wie eine glückliche Familie, wie einst.
Gili drehte sich und legte den kleinen Arm um ihre Schulter, als wolle er sie umarmen. Er hatte keine Zeit benötigt, sich umzugewöhnen – gleich als er seine Eltern zusammen erblickt hatte, hatte er die alt-neue Wirklichkeit begeistert angenommen. Wie würde er
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