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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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hatten in den letzten vierundzwanzig Stunden eine Menge durchgemacht. Sie sollte nichts tun, was sie später bereuen würde. Das sagte ihr Verstand – dennoch blieb sie stehen.
    Sie konnte es wieder und wieder abstreiten, aber sie wollte ihn. Er zog sie an. Ihre frühere Leidenschaft, die nach der Scheidung und einigen wenigen fehlgeschlagenen Versuchen mit anderen Männern verebbt war, keimte wieder in ihr auf.
    Er wollte sie auch, sie wusste es. Sie sah es in seinem Blick, sie kannte ihn ja, doch keiner von ihnen bewegte sich, aus Furcht oder Scham.
    Sie holte tief Luft, und ohne etwas zu sagen, tat sie einen Schritt auf ihn zu. Ihr Körper bebte vor Erregung, als er sie an der Hüfte fasste, sie an sich zog und küsste.

32
    Kriminalrat Mosche Navon saß in seinem Büro und versuchte die aktuelle Ausgabe der Haaretz auf seinem Schreibtisch zu ignorieren. Der Aufmacher befasste sich mit hochrangigen Polizeibeamten, Vertrauten des obersten Polizeichefs, die als Belohnung für ihre Treue zu überflüssigen Fortbildungen ins Ausland geschickt worden waren und auf Kosten des Steuerzahlers in Luxushotels logiert hatten. In dem Artikel standen die Namen der Beamten, Städte, Hotels, Preise. Überrascht hatte ihn die Meldung nicht. Die meisten Beamten kannte er vom Dienst. Er war schon geraume Zeit nicht mehr auf eine Fortbildung geschickt worden, noch hatte er am Luxus derer teilgehabt, die das Sagen hatten. Dabei hatte er nichts unversucht gelassen, genau das zu erreichen. In letzter Zeit hatte er sich ins Zeug gelegt, um zu den einflussreichen Leuten bei der Polizei Kontakte zu knüpfen, doch immer wieder war ihm der Weg versperrt worden. Zu viele Dinge hatten schlecht funktioniert, Fehler waren ihm unterlaufen und noch dazu einige Patzer, die die Medien aufgedeckt hatten. Auch intern mangelte es nicht an Beschwerden: Polizisten mit vielen Dienstjahren auf dem Buckel behaupteten, sie würden zu wenig Überstunden abbekommen, junge Polizisten meinten, nicht schnell genug oder nicht hoch genug befördert zu werden.
    Erst kürzlich hatte er einen altgedienten Polizisten nach Hause schicken müssen, um allen zu beweisen, dass er tatkräftig daran werkelte, die Leitungsebene zu verjüngen; obendrein wollte er ein Exempel damit statuieren, dass man für seine Fehler büßen müsse. Inzwischen hatte sich jedoch eine zweite Vergewaltigung ereignet, die Ermittlungen steckten fest und die Medien hatten es auf ihn abgesehen.
    Der Artikel zitierte verschiedene Quellen, die nicht genannt werden wollten und zum Rücktritt oder zur Entlassung des obersten Polizeichefs aufriefen. Trotz der peinlichen Enthüllung empfand Navon keine Schadenfreude. Er war mit der Politik der Polizei bestens vertraut und wusste, wenn dem Polizeichef etwas gegen den Strich ging, mussten Beamte wie er dafür herhalten.
    Er sah auf die Uhr. Halb zehn. Vielleicht war das ungute Gefühl, das ihn verfolgte, seit er im Radio von den Enthüllungen gehört hatte, unbegründet.
    Guten Mutes stand er auf, denn offenbar war der Sturm über ihn hinweggefegt, und wollte sich zur nächsten Sitzung aufmachen, als ihm seine Sekretärin mitteilte, dass der Leiter der Kriminaldirektion am Telefon sei und mit ihm sprechen wolle. Sein Bauchgefühl hatte ihn also doch nicht getrogen.
    »Es geht um einige Verhaftungen«, sagte sein Chef ohne einleitende Worte.
    Er gab einen Seufzer von sich. Sicher nichts Weltbewegendes. Das übliche Prozedere: die Verhaftung eines Verbrechers, dessen Name und Gesicht der Öffentlichkeit bekannt waren, das Medienspektakel und anschließend stillschweigend die Freilassung. Die Verbrecher wussten, dass sie auf die Freilassungs-Party besser verzichteten. Und selbst wenn Kritik aus der Öffentlichkeit laut würde, ließe sie sich immer auf das Gericht abwälzen, das den Beschuldigten freigelassen hatte, bevor die Polizei ihre Ermittlungen abschließen konnte. Mit diesen Ablenkungsmanövern der oberen Etagen war er bestens vertraut.
    »Jemand Bestimmtes?«, fragte er und hielt an sich, damit nicht einmal ein Anflug von Sarkasmus zu hören wäre.
    »Wir dachten an Schimon Faro.«
    »Kein Problem. Noch heute.« Er überlegte kurz, ob er hinzufügen solle »vor den 20-Uhr-Nachrichten«, verkniff es sich jedoch lieber. Der oberste Polizeichef brauchte ein bisschen Wirbel, der die Affäre um die Fortbildungen auf die hinteren Seiten, wenn nicht vollständig aus der Zeitung verbannte. Und er durfte die Drecksarbeit erledigen.
    »Noch etwas …« Sein

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