Tag der Vergeltung
Chef räusperte sich. »Diesmal ist es ernst gemeint. Nicht die übliche Nummer mit Festnehmen, Freilassen und Vergessen.«
Navon erwiderte nichts. Er hatte sich zu früh gefreut. Ihm drehte sich der Magen um. Diesmal käme er nicht mit einem blauen Auge davon.
»Du hast in seiner Organisation einen Informanten, habe ich recht?« Es war halb eine Frage, halb eine Feststellung, Navons Schweigen richtig deutend.
Er verfluchte leise den obersten Polizeichef, den Leiter der Kriminaldirektion und die Kröten, die er schlucken musste.
»Ilan, für ihn ist es noch zu früh … Wenn wir Faro jetzt verhaften, fliegt unser Informant auf und diese Verhaftung geht nach hinten los«, versuchte er trotz allem, ihn umzustimmen.
Sein Chef schwieg. Navon wusste, dass er über die Sache genauso wenig erfreut war, er hatte ebenfalls keine Wahl.
»Ihr bastelt an der Sache schon zu lange herum, jetzt ist es an der Zeit, in Aktion zu treten, zu sehen, ob er was taugt«, sagte er schließlich.
»Auf alle Fälle taugt er was, aber er braucht noch Zeit, er ist noch nicht so weit, dass er die Seite wechselt … Du weißt doch, wie das läuft«, versuchte Navon auf ihn einzuwirken.
»Mosche«, unterbrach ihn der Chef, »nun sei mal nicht so pessimistisch, vielleicht überrascht er uns ja und fängt an zu singen.«
Mosche Navon entgegnete nichts. Der Gedanke an sämtliche Pläne, die den Bach hinuntergingen, an die Polizisten, die mit ansehen mussten, wie die Früchte ihrer Arbeit geopfert wurden, um ein Foto in der Zeitung abdrucken zu können und die öffentliche Meinung zu lenken, ließ ihn vor Zorn beben. Diese Verhaftung würde nichts bringen. Ihr Informant war für die Sache noch nicht reif. Er würde erschrecken, sich zurückziehen und ihnen nicht länger zuarbeiten. »Mosche, bist du noch da?«
»Ja, sicher.« Er dachte darüber nach, ob er Ilan noch irgendwie umstimmen konnte, hielt sich aber lieber zurück. An dieser Entscheidung konnte Ilan nichts ändern und er schon gar nicht. So wie die Dinge in letzter Zeit für ihn standen, war es besser, wenn er sich von der kooperativen Seite zeigte, als Mitglied im Ensemble spielte, statt Sand ins Getriebe zu streuen.
33
David Meschulam fuhr zwei Wagen hinter Faro. So waren sie immer unterwegs. Faro vorn und er hinter ihm, bildete die Nachhut.
Die Tatsache, dass er ihm von seiner Eigeninitiative, der Sprengladung in der Louis-Marshall und Ziv Nevos Anteil an der Sache, nichts erzählt hatte, setzte ihm zu. Er hatte Faro nie angelogen, nie etwas vor ihm geheimgehalten, nicht einmal im Traum hätte er daran gedacht, ihr gegenseitiges Vertrauen zu untergraben. Er stand so hoch in seiner Schuld! Doch wieso sollte er ihn wegen einer Nichtigkeit in Aufregung versetzen? Stimmt, zunächst hatte er gedacht, dass Nevo ausgepackt hätte. Dann hatte der sich aus dem Staub gemacht – und er hatte keine Zweifel mehr gehabt.
Dass das Auto dieser verdammten Zicke auf geheimnisvolle Weise verschwunden war, erwies sich keineswegs als hilfreich. Er hatte Michael, der im Verkehrsministerium arbeitete und Faro einen Gefallen schuldig war, Bescheid gesagt. Er sollte ihn wissen lassen, wenn die Computer eine Information über ihren Wagen ausspuckten. Nichts. Sie hatte weder vom Ordnungsamt noch von der Polizei einen Strafzettel bekommen, war nicht auf der mautpflichtigen Nord-Süd-Schnellstraße gefahren, nichts. Die Sache machte ihm zu schaffen. Mehrmals war er zu ihrem Wohnhaus gefahren, ohne das Auto gesehen zu haben. Gestern hatte er beobachtet, dass sie zur Arbeit ein Taxi genommen hatte. Es machte ihn wütend, dass sie immer noch tun und lassen konnte, was sie wollte.
Doch nun waren einige Tage vergangen und nichts war geschehen. Keine Polizei. Nichts dergleichen. Wenn Nevo gesungen hätte, wären die Bullen längst da. Sein Handy klingelte. Faros Chauffeur teilte ihm mit, dass sie an Nissims Dönerladen halten würden, es war nicht mehr weit. »Kein Problem«, erwiderte er. Er hatte ebenfalls Hunger.
Vielleicht hatte Nevo ihm mit seiner Flucht einen Gefallen getan, denn er hatte vorgehabt, ihn in der Lagerhalle fertigzumachen. Eigentlich war er ein guter Junge. Armer Kerl, sie hatten ihm eine Vergewaltigung angehängt. Er war zwar noch gut dabei weggekommen, trotzdem war es eine Straftat. Von nun an würden diese Scheißkerle ihm sein ganzes Leben lang im Nacken sitzen. Vorgestern hatte er in den Nachrichten gehört, dass die Polizei ihn wegen einer zweiten Vergewaltigung in Verdacht hatte.
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