Tag der Vergeltung
Bewohner dazu angehalten, jedes verdächtige Geräusch zu melden. Daher entschied er, kein Licht anzuschalten und zügig hinaufzugehen. Das laute Bellen eines Hundes, das aus einer Wohnung drang, jagte ihm einen heftigen Schrecken ein.
»Puyol, sei still!«, hörte er, wie ein Mann den Hund zurechtwies, der trotzdem weiterbellte und an der Tür kratzte.
Eli versuchte noch leiser aufzutreten und rannte die Treppen beinahe hoch. Nun stand er, leicht außer Atem, vor Nevos Tür. Zu seiner Verblüffung war die Tür nicht verschlossen. Er hatte sich darauf gefasst gemacht, sie aufbrechen zu müssen, nun war er erleichtert. Abgestandene, modrige Luft drang ihm schon auf der Türschwelle in die Nase. Er tastete die Flurwand nach einem Lichtschalter ab, doch vergebens. Weiter unten bellte hartnäckig der Hund. Irgendwo ging eine Wohnungstür auf. Schnell schlüpfte er in die Wohnung. Auf keinen Fall durfte ihn hier einer sehen.
In der Wohnung war es still, es war fast stockfinster. Nur das blasse Licht der Straßenlaterne schimmerte durch eine defekte Jalousie. Schnell ging er zur nächsten Wand und fand an deren Ende einen Lichtschalter. Aber kein Licht. Er probierte es an einem weiteren Schalter. Er überlegte kurz, ob er zurück ins Treppenhaus gehen sollte, vielleicht lag es an der Sicherung, doch das Bellen des Hundes und die Stimme des Nachbarn, der mit ihm hinausging, hielten ihn davon ab. Er wollte in seine Hosentasche greifen, um die kleine Taschenlampe hervorzuholen, da erstarrte er. Etwas oder jemand hatte sich in der Wohnung bewegt. Oder war es ein Geräusch von draußen? Nein, er hatte sich nicht geirrt. Da wieder, eine Bewegung, ganz in seiner Nähe. Waren es Schritte? Jemand kam auf ihn zu. Ruckartig drehte er sich um, wollte herausfinden, aus welcher Richtung die Schritte kamen.
»Wer ist da?«, fragte er in die Finsternis. Keine Antwort. Sein Herz raste. Obwohl er nichts sehen konnte, spürte er, dass da jemand war. Jemand stand in seiner unmittelbaren Nähe. Er roch seinen Schweiß, hörte ihn atmen. Er hätte schon an der offenen Tür kapieren müssen, dass hier etwas nicht stimmte. Vielleicht wurde er tatsächlich alt.
Alles ging zu schnell. Der Unbekannte trat gezielt und mit voller Wucht gegen sein linkes Knie. Er konnte sein Gelenk knacken hören. Höllischer Schmerz durchzuckte ihn. Er ging sofort zu Boden, wie ein Kartoffelsack fiel er hin, während er alles daran setzte, den Schrei, der sich Luft machen wollte, zu unterdrücken. Derjenige wusste genau, was er da tat, es ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Den nächsten Tritt platzierte er in seiner linken Gesichtshälfte. Er hörte seine Zähne vor Angst klappern. Sein Körper bebte. Der Angreifer ließ nicht von ihm ab und trat ihn jetzt in den Bauch. Er wollte sich wenigstens krümmen und von ihm wegkommen, doch er schaffte es nicht. Der andere war schneller und setzte sich auf ihn, sodass er ihm nicht mehr entwischen konnte. Der Lichtstrahl einer grellen Taschenlampe leuchtete ihm direkt ins Gesicht und brannte in seinen Augen, die ohnehin schon vom Schmerz tränten. Er wollte sich abwenden, doch der Angreifer packte ihn derb am Kinn, grub die Finger in sein verletztes Gesicht und machte es ihm unmöglich, den Kopf zu drehen.
»Bist du sein Vater?«, fragte der Mann. Für einen Moment war ihm der Gedanke gekommen, Ziv Nevo könnte der Angreifer sein, doch dieser Gedanke verpuffte im Nu.
Er spürte, wie sein Mund sich mit Blut füllte, sein Bein schrie vor Schmerz auf und seine Rippen sorgten bei jedem Atemzug für stechenden Schmerz. Als er aus dem Haus gegangen war, hatte er mit sich gerungen, ob er seine Pistole mitnehmen solle, doch da er vom Dienst suspendiert war, hatte er es lieber gelassen. Jetzt verfluchte er sich, wieso musste er sich stets korrekt verhalten und die Regeln befolgen?
Der Angreifer verlagerte das Gewicht auf seine Rippen. Diesmal hielt er es nicht aus. Tausende von Nadeln gruben sich gleichzeitig in ihn, und er schrie vor Schmerz auf.
»Ich hab dir eine Frage gestellt«, sagte der Mann mit ruhiger, fast gleichgültiger Stimme. Eli versuchte die Augen zusammenzukneifen und die Gesichtszüge des Mannes zu erkennen, doch die Taschenlampe war zu grell und strahlte ihm direkt in die Augen.
»Wer will das wissen?«, hörte er sich unversehens fragen. Die Worte, die aus seinem verletzten, blutenden Mund drangen, klangen verzerrt.
Der Angreifer packte ihn am Hals und drückte zu. »Lass deine Witze. Ich stelle
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