Tag der Vergeltung
dem zeitweiligen Frieden wäre es vorbei. Und zum Streiten fehlte ihr die Kraft.
»Ich bin auch müde«, sagte sie, stand auf und tat so, als müsse sie ausgiebig gähnen. Schleunigst wollte sie diese Intimität auflösen, die plötzlich zwischen ihnen entstanden war und die sie in eine ihr unerklärliche Spannung versetzte.
»Ich helfe dir beim Beziehen der Betten«, sagte er und erhob sich ebenfalls.
Sie überlegte kurz, ob sie ihm sagen sollte, dass sie schon allein zurechtkäme, stattdessen lächelte sie ihn an und sagte: »danke«.
Sie gingen in Oriths und Danis Schlafzimmer und zogen die benutzte Bettwäsche ab.
»Komm, wir legen sie nur zusammen. Ich wasche sie morgen«, sagte sie zu ihm, als sie sich an dem breiten Bett gegenüberstanden. Ihre Handgriffe waren eingespielt, ihre Bewegungen synchron. Wie oft sie das früher gemeinsam gemacht hatten.
Er hielt den Bettbezug am äußeren Rand fest und ging damit auf sie zu. Hielt kurz inne und sah ihr in die Augen. Ihre Gesichter waren sich jetzt sehr nah. Ihr Herz schlug wie wild, als sie seinen vertrauten Geruch wahrnahm. Diese Erregung verblüffte sie und war ihr peinlich, schnell bückte sie sich, um den Bezug nochmals zu falten, und nahm ihm das Teil aus der Hand.
Wortlos reichte sie ihm die saubere Bettwäsche. Als sie noch ein Paar gewesen waren, hatten sie die Bettwäsche alle zwei Wochen gewechselt, wenn er am Samstagabend vom Basketball gekommen war. Sie hatten immer um die Wette Betten bezogen. Jetzt war es zwar nicht abgesprochen und sie hatten sich nicht einmal durch Blicke verständigt, dennoch verfolgte sie ihn aus dem Augenwinkel und wusste, er tat dasselbe. Als sie das Kissen als Erste bezogen hatte, konnte sie es nicht unterdrücken und rief: »Fertig!«
»Du hast mir das störrischere Kissen gegeben«, grinste er, und sie lachte, als ihr einfiel, dass er diese Ausrede ziemlich regelmäßig vorgebracht hatte. Ob ihm das auch gerade in den Sinn kam? Nach ihrem Wettkampf hatten sie sich immer auf das saubere, duftende Bett geworfen. Wie gern sie mit ihm geschlafen hatte. Nie hatte sie einen Mann gehabt, der sie so wie er verwöhnt hatte, ihren Bedürfnissen solche Aufmerksamkeit geschenkt hatte, sie zu befriedigen wusste und es auch wollte.
Sie wich leicht vor ihm zurück. Was war bloß in sie gefahren? Vergaß sie so schnell, was er angerichtet hatte?
»Nun gut, dann …«, setzte sie an und schwieg gleich wieder, er würde den Hinweis hoffentlich verstehen und das Zimmer verlassen. Die Lust, die sie auf ihn hatte, irritierte sie. Sie hatte schon lange keinen Sex mehr gehabt, so versuchte sie sich ihr Verlangen zu erklären. Vielleicht lag es auch an der Angst vor dem, was da draußen auf sie wartete?
Ziv rührte sich nicht von der Stelle. »Wenn du nicht zu müde bist, würde ich gern mit dir reden«, sagte er.
Ohne dass sie darum gebeten oder danach gefragt hatte, berichtete er ihr von den Ereignissen der letzten Monate. Er nannte keine Namen, zu ihrem eigenen Schutz, wie er sagte. Er erzählte ihr jedoch, dass er für eine kriminelle Organisation »nur als Fahrer« gearbeitet, »nichts Kriminelles« gemacht habe. Sie hatten ihn angeheuert, weil er bei der Armee Spezialaufträge ausgeführt hatte, so war ihm später aufgegangen. Zunächst war sie schockiert angesichts seiner Naivität, doch je mehr sie erfuhr, desto klarer wurde ihr, dass sie Mitleid deswegen mit ihm hatte. Eigentlich müsste sie wütend auf ihn sein, weil er Gili und sie in Gefahr gebracht hatte, sie fragte sich jedoch, ob ihm ihre Trennung nicht mehr zugesetzt hatte, als sie vermutet hatte. Schließlich waren Gili und sie seine einzige Familie.
»Und nun?«, fragte sie, als er zum Ende gekommen war.
Er zuckte die Schultern. »Wenn sie in den nächsten Tagen mitbekommen, dass nichts passiert, werden sie hoffentlich verstehen, dass ich den Mund gehalten habe, und dann beruhigen sich die Gemüter vielleicht«, erwiderte er.
Sie schlang die Arme um ihren Körper, vor Kälte und vielleicht vor Angst.
»Es tut mir leid«, sagte er leise.
Sie gab ihm keine Antwort. Und wenn sich diese Leute nicht beruhigten?, dachte sie und erhob sich, von Unruhe getrieben, aus ihrem Sessel.
»Willst du, dass ich dir helfe, eins der Kinderbetten herzurichten?«, fragte sie.
»Danke. Ich mach das schon«, sagte er und erhob sich ebenfalls.
Sie standen sich gegenüber. Jetzt sollte sie sich umdrehen, in ihr Zimmer gehen und die Tür hinter sich schließen, das wusste sie. Sie
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