Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
Vom Netzwerk:
auf die Ayalon-Schnellstraße fuhr und in der Ferne die Azrieli Towers sah, überkam Ziv heftige Übelkeit. Die Tage, die er mit Merav und Gili in der Arava verbracht hatte – nur sie drei, fernab von der Welt –, waren die bisher schönsten seines Lebens gewesen. Bevor es mit ihm bergab gegangen war, hatte er auch schöne Tage gekannt, doch dass er seine Familie als Selbstverständlichkeit empfunden hatte, war schon lange her. Und falls dieses Glücksgefühl daher rührte, dass es nur vorübergehend war? Schließlich hatten Merav und er während dieser gemeinsamen Tage gewusst, dass es nicht für die Ewigkeit sein würde, es eine Lebenswirklichkeit gab, die an die Tür klopfte und der sie nicht entrinnen konnten.
    »Ich möchte, dass wir wieder so leben, zusammen, wie eine Familie«, hatte er ihr zugeflüstert, bevor er ins Auto gestiegen war und ihr privates Paradies verlassen hatte. Sie hatte ihn angelächelt und gesagt: »Ich auch«, und er war vor Freude ganz außer sich gewesen.
    Er musste die Bedrohung durch Faro und die Organisation von seiner Familie abwenden. Auch wenn er es nicht verdient hatte, viele Fehler gemacht und Menschen wehgetan hatte – er bekam eine zweite Chance. Und er hatte nicht vor, sie verstreichen zu lassen.
    Er überlegte, ob er Meschulam oder Faro einfach anrufen und ihnen erklären sollte, dass er der Polizei kein Wort gesagt hatte. Er war einfach in Panik geraten und deshalb geflohen. Das sei der einzige Grund gewesen, er habe nichts zu verbergen, würde er ihnen sagen.
    Doch je länger er darüber nachdachte, umso stärker wurde die Einsicht, dass diese Dinge von Angesicht zu Angesicht geregelt werden mussten. Nur wenn sie ihm in die Augen blicken und sehen würden, dass er die Wahrheit sagte, keine Angst hatte, würden sie ihm glauben.
    * * *
    Er parkte Meravs Wagen vor dem Haus und sah auf die Uhr des Armaturenbretts. Es war drei Uhr nachts. Machte er einen Fehler? Ursprünglich hatte er nicht vorgehabt, hierherzukommen. Was hatte er an diesem schäbigen Ort zu suchen? Hier war ihm nur Schlechtes widerfahren.
    Doch während der Fahrt hatte sich dieser Gedanke in seinem Kopf festgesetzt. Wie der Dibbuk war er in ihn gefahren – er musste seinen Ehering holen, ihn wieder am Finger spüren.
    Und wenn oben jemand auf ihn wartete? Sollte er wegen diesem Ring alles gefährden? Er stieg aus dem Auto. Kompletter Wahnsinn. Für romantische Gesten hatte er nie etwas übriggehabt, aber diesmal konnte er nicht anders, er musste ihn bei sich haben, er würde ihm Kraft geben und vor allem – käme er nicht lebend zurück, so würde Merav wissen, dass er ihn angesteckt hatte, wenn sie seine Leiche fänden, dass er gespürt hatte, dass sie wieder Frau und Mann, eine Familie waren.
    Beim Geruch des Treppenhauses wurde ihm übel. Wie er diese Wohnung hasste, das Symbol seiner Einsamkeit. Zum letzten Mal war er am Tag der Verhaftung hier gewesen.
    Schnell ging er die Treppe hinauf. Puyol bellte. »Schalom, Puyol«, grüßte er den Hund durch die Tür und ging hinauf. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und stutzte, es war nicht abgeschlossen. Was hatte er eigentlich erwartet? Dass die Polizisten nach der Durchsuchung schön ordentlich abschließen würden?
    Der modrige Geruch war unerträglich. Die Fenster schienen allesamt verschlossen und die Jalousien heruntergezogen zu sein. Hatte er die Wohnung so verlassen? Er wusste es nicht mehr.
    Der Lichtschalter funktionierte nicht. Er ging zurück ins Treppenhaus und schaltete die Sicherung ein. In der Wohnung ging das Licht an.
    Ziv verharrte auf der Türschwelle vor Entsetzen. Vor ihm auf dem Fußboden lag ein älterer Mann, unter seinem Kopf hatte sich eine Blutlache ausgebreitet, zu seinen Füßen lag eine leere, blutverschmierte Flasche. Hatte er Halluzinationen? War er so müde, dass Druck und Sorgen ihm Bilder vorgaukelten? Nein. Der Mann auf dem Boden seiner Wohnung war Eli Nachum.
    * * *
    Eli Nachum schlug die Augen auf und blickte Ziv wortlos an. Diese Augen hatten sich Ziv tief eingeprägt. Während der Vernehmung hatten sie ihm furchtbare Angst eingeflößt. Nun sprach die Angst selbst aus ihnen.
    Verstört ging Ziv auf ihn zu, ohne eine Ahnung zu haben, in welches neue Desaster er nun hineingeraten würde.
    »Was ist Ihnen zugestoßen? Was machen Sie hier überhaupt?«, feuerte er seine Fragen auf Eli Nachum ab.
    Der Polizist gab keine Antwort, aus seiner Kehle drang nur ein Röcheln. Jetzt fiel Ziv auf, dass er keine Uniform

Weitere Kostenlose Bücher