Tag des Opritschniks, Der
Arrest.
Bazillus, so nannt’ man den einen,
Den anderen schimpfte man Pest …
Dieser »Freibeuter«, der da in Westsibirien herumhüpft wie ein Floh, ist schon zweimal dingfest gemacht worden – einmal durch die Geheime Kanzlei vor Ort und einmal durch uns. Der Kanzlei haben die Betreiber sich entzogen, von uns mit chinesischen Aquarien losgeeist. Während um das Lösegeld gefeilscht wurde, waren unsere Männer nicht untätig, renkten den drei Radiosprechern auf der Folterbank die Arme aus, und Siwolai schob der Sprecherin einen kleinen Bären in die Röhre. Doch das Rückgrat des Senders blieb heil, ein Studio auf Kufen wurde angeschafft, und die Kettensträflinge konnten wieder auf Sendung gehen. Der Gossudar schert sich zum Glück nicht darum. Also sollen sie in Gottes Namen ihre Frongesänge in den Wind heulen.
… Alsbald war die Clique am Schluchzen,
Es raunte die Kolyma:
Im Winter, da türmte Bazillus,
Im Frühling war Pest wieder da …
Ich schalte um ins Westfernsehen, wo die antirussischen Umtriebe ihren Herd haben. Wie Ratten in der Senkgrube tummeln sich hier die feindlichen Stimmen: »Freiheit für Russland«, »Voice of America«, »Free Europe«, »Liberty«, »Deutsche Welle«, »Russland im Exil«, »Roma Russa«, »Das Russische Berlin«, »Russian Brighton Beach«, »Côte d’Azur Russe«.
Ich entscheide mich für »Liberty«, den wütendsten Geiferer, und stoße sogleich auf taufrisches antirussisches Material: Im Studio hockt ein emigrierter Dichter, schmalbrüstige jüdische Brillenschlange, guter alter Bekannter von uns, mit einem zertrümmerten rechten Handgelenk als Andenken (Pojarok hatte während der Vernehmung seinen Fuß darauf stehen). Der Andersdenkende rückt mit der verkrüppelten Hand seine altmodische Brille zurecht und deklamiert mit hysterisch bebender Falsettstimme:
Ein Paragraph selbst für den Schlaf!
Wo gerichtet wird, fallen Menschen!
»Mein Bruder – ’s ist Zeit!«
Für den Knast? Für den Ast?
»Wir flieh’n und sind frei!«
Vogelfrei! Ab, dawai! …
Judas! Mit einer Bewegung des kleinen Fingers klicke ich das liberale Mehlgesicht weg. Eklig seyen sie als wie Gewürm, das sich an Fäulnis und Aas besäufet. Das Teigige ist es, das sich Schlängelnde, das Unersättliche, das Blinde obendrein, was sie gemein macht mit dem verachteten Getier, und nur ihr beflissenes Mundwerk unterscheidet sie, welches mit stinkend Gift und Galle dermaßen um sich spritzet, dass nicht nur die Menschen drunter müssen leiden, nein, auch die von Gott geschaffene Welt wird besudelt, ihre heilige Schlichtheit und Reinheit beferkelt bis zum hintersten Horizont, bis ans Himmelsgebälk, mit der Schlangengicht ihres Hohnes und Spottes, ihrer Verachtung, ihrer Doppelzüngigkeit, ihres Zweifels, Misstrauens, Neides, ihrer Bosheit und Schamlosigkeit …
Auf »Freiheit für Russland« quengeln sie über die »geschurigelte Selbstbestimmung«, das altgläubige »Sonnenwärts« mokiert sich über die Käuflichkeit der Oberpriester in der R.O.K., das »Russische Paris« liest aus einem Buch von Jossaf Back mit dem Titel »Hysterisches Gestikulieren als Überlebensweise in Russland heute«, »Roma Russa« bringt jaulenden Affenjazz, das »Russische Berlin« ein ideologisches Wortgefecht zweier unversöhnlicher Emigrantenmonster, und auf »Voice of America« läuft das Programm »Russischer Tabuwortschatz im Exil« mit einer obszönen Nacherzählung des unsterblichen Romans »Verbrechen und Strafe«:
Den satten Hieb mit der Scheißaxt hat die
alte Fotze sauber auf den Scheitel gekriegt, sie
war ja arschklein, das hat verdammt nochmal
gepasst. Sie hat aufgejault wie angestochen und
ist ratzbatz zusammengesackt, runter auf den
Scheißfußboden, hat’s grad noch fertig gekriegt,
die verdorrte Möse, sich mit ihren abgewichsten
Griffeln an die verkeimten Hurenzotteln zu
fassen, das war’s dann …
Gräulich und abscheulich – anders kann man es nicht nennen.
Seit dem berühmten 37. Erlass des Gossudaren über die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gebrauch unflätiger Schimpfwörter in öffentlichen wie privaten Räumen, unter ausdrücklicher Androhung von Maßnahmen körperlicher Züchtigung, ergehen sich die Liberalen in Heulen und Zähneknirschen. Wohingegen das einfache Volk zu unserem Erstaunen dem 37. Erlass sogleich Verständnis entgegengebracht hat. Nach einer Reihe von Schauprozessen, infolge derer auf den zentralen Plätzen der
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