Tag des Opritschniks, Der
unsere vortrefflichen Krieger da furzen, der ist doch brennbar, oder nicht?«
»Jawohl«, bestätigt der Aufsichtsführende.
»Wenn es so ist, dann frage ich mich«, fährt der Fürst, immer noch seinen Bart zwirbelnd, fort, »warum Europa unsere Fürze überhaupt zu fürchten hat?«
Oho! So gehört es sich für einen aus dem Engsten Kreis. Er stößt sogleich zum Kern der Sache vor. Mit einem russischen Furz lassen sich europäische Städte beheizen! Wir kommen ins Nachdenken. Und ich hadere mit meinem Verstand: nicht auf das Nächstliegende gekommen zu sein. Andererseits habe ich ja nur Geisteswissenschaften studiert.
Der Spielleiter ist blass geworden, er hüstelt nervös.
»Hm ja … Das ist in der Tat nicht ganz stimmig«, gibt der Aufsichtsführende zu und kratzt sich am Kinn.
»Da hinkt die Vorlage ganz gewaltig!«, ereifert sich der Tischvorsteher und hebt den dicken Zeigefinger. »Wer hat das geschrieben?«
Ein hagerer Mann in Tolstoibluse taucht aus der Tiefe des Zuschauerraums hervor.
»Wie können Sie sich so eine Blöße geben, sagen Sie mal! Das Thema Gas ist doch nun wirklich nicht neu!«, geht der Tischvorsteher ihn an.
»Bedaure sehr. Ich bringe das in Ordnung.«
»Tu das, mein Bester«, sagt der Fürst und gähnt.
»Aber denk dran, übermorgen ist Generalprobe!«, versetzt der Aufsichtsführende streng.
»Das kriegen wir hin, keine Bange!«
»Und noch eins«, fügt der Fürst an. »Da, wo ihr den Maulwurf mit dem Strahl massakriert und die Gedärme rausquellen – das ist ein bisschen zu viel des Guten.«
»Wie meinen, Euer Erlaucht?«
»Die ganzen Därme. Zu viel Naturalismus ist nicht gut. Ein bisschen weniger Gekröse, wenn ich bitten darf, mein Lieber.«
»Zu Befehl. Wird alles korrigiert.«
»Und was ist mit der Schweinigelei?«, frage ich nach.
Mich trifft ein kalter Seitenblick des Fürsten.
»Davon kann keine Rede sein, Herr Opritschnik. Das ist der gesunde Humor unserer Armee, der den Strelitzen hilft, ihren harten Dienst an den entlegensten Grenzen der Heimat zu schultern!«
Eine lakonische Feststellung. An ihr gibt es nichts zu deuteln. Der Fürst ist ein kluger Mann. Und was den Seitenblick angeht – er mag uns Opritschniki nicht leiden, das ist es. Was man ja verstehen kann: Wir treten dem Engsten Kreis beständig auf die Fersen, atmen ihm ins Genick.
»Was haben wir noch?«, fragt der Fürst und zieht eine Nagelfeile hervor.
»Die Arie des Iwan Sussanin.«
Die kann man sich schenken. Ich stehe auf, verbeuge mich und gehe zum Ausgang. Plötzlich fasst mich jemand im Dunkeln beim Arm.
»Herr Opritschnik, ich flehe Sie an!« Eine Frauenstimme.
»Wer bist du?«
»Hört mich an, ich bitte Euch!«, wispert es inbrünstig und stotternd. »Ich bin die Frau des verhafteten Sekretärs Korezki.«
»Bojarenvettel! Verzieh dich!«
»Ich flehe Euch an! Ich flehe Euch an!« Sie fällt vor mir auf die Knie, packt mich beim Stiefel.
»Fort mit dir!« Ich stoße ihr den Stiefel vor die Brust.
Sie stürzt zu Boden. Im nächsten Moment greifen von hinten schon wieder irgendwelche heißen Frauenhände nach mir, es flüstert: »Andrej Danilowitsch, wir bitten Sie sehr!«
Ich zücke den Dolch: »Weichet, ihr Huren!«
Die mageren Hände zucken zurück.
»Andrej Danilowitsch, ich bin keine Hure. Ich bin Uljana Koslowa.«
Oho! Die Primaballerina vom Bolschoi-Theater. Eine Favoritin des Gossudaren, von allen Odiles und Giselles die beste. Ich habe sie in der Dunkelheit nicht erkannt. Schaue genauer hin. Tatsächlich, sie ist es. Das Bojarenluder liegt derweil bäuchlings flach. Ich stecke den Dolch weg.
»Meine Dame, womit kann ich dienen?«
Die Koslowa tritt an mich heran. Wie immer bei Ballerinen wirkt ihr Gesicht aus der Nähe weniger ansehnlich als auf der Bühne. Und sie ist ganz klein.
»Andrej Danilowitsch!«, flüstert sie, aus den Augenwinkeln hinüberschielend zur im Halbdunkel liegenden Bühne, wo Iwan Sussanin im Schafspelz und mit Hirtenstock betulich seine Arie schmettert. »Ich ersuche Euch um Fürsprache, flehe Euch an bei allen Heiligen, bitte von Herzen … Klawdija Lwowna ist die Patin meiner Kinder, meine beste und teuerste Freundin, ein reiner, aufrichtiger, gottesfürchtiger Mensch, wir haben gemeinsam die Schule für Waisenkinder errichtet, eine Fürsorgeanstalt, ein hübsches, großzügiges Haus, wo die Waisenkinder etwas lernen können, ich flehe Euch an, inständig, wir alle … Klawdija Lwowna soll übermorgen in die Verbannung verschickt werden,
Weitere Kostenlose Bücher