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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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schwarzen Bänder hängen, und der Gossudar trauert immer noch um seine erste Frau.«
    »Sie kannten Anastassija Fjodorowna?«
    »Nein. Damals war ich noch nicht Primaballerina.«
    Wir sind jetzt auf der Jakimanka. In diesem Teil der Stadt, Samoskworetschje, ist es wie immer voll und laut.
    »Darf ich denn auf Ihre Unterstützung rechnen?«
    »Versprechen kann ich es nicht. Aber ich könnte sehen, was sich machen lässt.«
    »Wie viel würde das kosten?«
    »Dafür gibt es feste Preise. Ein den Normalbürger betreffender Vorgang kostet gegenwärtig tausend Goldrubel. Bei Amtsleuten sind es dreitausend. Und wenn es um die Gesellschaftskammer geht …«
    »Aber ich verlange ja nicht von Ihnen, dass Sie den ganzen Vorgang revidieren. Mir geht es nur um die Witwe!«
    Auf der Ordynka muss ich bremsen. Diese vielen Chinesen hier, mein Gott …
    »Andrej Danilowitsch! Lassen Sie mich nicht schmoren!«
    »Na gut … weil Sie es sind: zwoeinhalb. Und ein Aquarium.«
    »Was für eins?«
    »Jedenfalls kein silbernes!«, sage ich lächelnd.
    »Bis wann?«
    »Wenn Ihre Freundin schon übermorgen verfrachtet werden soll, dann je schneller, desto besser.«
    »Also heute noch?«
    »Die Schlussfolgerung ist korrekt.«
    »Gut … Wenn es Ihnen nichts ausmacht: Würden Sie mich bitte nach Hause fahren? Meinen Wagen hole ich später nach … Ich wohne in der Uliza Neshdanowoi.«
    Ich wende, düse zurück.
    »In welcher Währung möchten Sie das Geld haben, Andrej Danilowitsch?«
    »Möglichst in Goldrubeln, zweite Prägung.«
    »Gut. Ich denke, bis zum Abend habe ich es zusammen. Und was das Aquarium angeht … Nach goldenen Fischen zu angeln gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, wissen Sie. Wir Tänzerinnen verdienen weniger, als es den Anschein hat … Aber Ljoscha Woronjanski hängt am Gold. Er ist ein guter Freund von mir. Von ihm kriege ich etwas.«
    Woronjanski ist erster Tenor am Bolschoi, das Volk himmelt ihn an. Sehr wahrscheinlich, dass er am Goldnicht nur hängt, sondern auch darauf sitzt … Schon wieder bin ich am Bolschoi Kamenny, fege auf der roten Spur über die Brücke. Links und rechts von mir dümpeln die Autos in endlosen Staus. Vorbei an der Nestor-Nationalbibliothek, der Wosdwishenka, der Universität. Ich biege ein in die berüchtigte Nikitskaja. Nach der dritten Säuberung in Folge ist es in dieser Straße still geworden. Selbst die Sbiten- und Kringelverkäufer gehen hier auf Zehenspitzen, preisen ihre Ware nur zaghaft an. Die Fenster der abgefackelten, noch nicht wieder instandgesetzten Wohnungen gähnen schwarz. Den Bürgern, diesem Pack, geht die Muffe. Recht so …
    In der Neshdanowoi halte ich vor dem grauen Künstlerblock. Er ist von einer drei Meter hohen Backsteinmauer umgeben, darauf eine Lichtschranke. Die hat ihren Sinn.
    »Warten Sie auf mich, Andrej Danilowitsch«, sagt die Primaballerina, steigt aus und verschwindet im Eingang.
    Ich rufe den Alten an.
    »Ältester, es gibt das Angebot, einen halben Vorgang abzukaufen.«
    »Wen?«
    »Den Sekretär Korezki.«
    »Wer?«
    »Die Koslowa.«
    »Die Ballerina?«
    »Genau. Kriegen wir die Witwe abgezweigt?«
    »Könnte man versuchen. Aber da geht einiges an Prozenten ab. Wann kommt das Geld?«
    »Bis zum Abend will sie es auftreiben. Und außerdem habe ich das dumpfe Gefühl, Ältester … dass sie mir gleich ein Aquarium rausbringt.«
    »Na! Das wäre doch mal eine frohe Kunde«, sagt der Alte augenzwinkernd. »Sobald du’s hast – in die Sauna damit!«
    »Klarer Fall!«
    Die Koslowa lässt sich Zeit. Ich rauche eine Zigarette. Schalte das reine Teleradio ein. Hier lässt sich störungsfrei hören und sehen, was die Abtrünnigen unter unseren Mitbürgern nur des Nachts und mit größter Mühe einfangen können. Als Erstes drehe ich eine Runde im Untergrund, lande beim Programm »Freie Kommune«, wo sie die Liste der letzte Nacht Verhafteten durchgeben und von »wahren Hintergründen« im Fall Kunizyn faseln. Diese Schwachköpfe! Wen interessieren denn jetzt noch die »wahren Hintergründe«? … »Radio Hoffnung« hat tagsüber Sendepause – die pennen, die Nachteulen. Desto munterer plappert es beim sibirischen »Freibeuter«, der Stimme der entlaufenen Sträflinge: »Auf Wunsch von Iwan, genannt Wanne Großfuß, der vorgestern den Abflug gemacht hat, bringen wir nun ein altes Sträflingslied!«
    Eine saftige Harmonika spielt, zu der eine verrauchte Jungmännerstimme zu singen anhebt:
     
    Es saßen und träumten von früher
    Zwei Knackis im scharfen

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