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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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für die Vier Lasten geworben und den Geschworenen Dampf gemacht. Da fragt man sich doch, mein Gossudar: Wieso war dieser Hundesohn so scharf auf die Vier Lasten, he?«
    Sterna springt auf.
    »Mein Gossudar, mir scheint, die Vier Lasten sind ein korrektes Gesetz. Nur eines daran verstehe ich nicht: wieso ausgerechnet vier? Wo kommt diese Zahl her? Es könnten doch genauso gut sechs sein? Oder acht?«
    Großes Palaver.
    »Wäge deine Worte, Sterna!« – »Nein, er hat recht!« – »Vier oder nicht vier, das ist gar nicht die Frage!« – »Aber darum geht es doch gerade!«
    Swirid erhebt sich, auch ein alter, erfahrener Opritschnik.
    »Mein Gossudar, was machte es, wenn in dem Gesetz da eine andere Ziffer stünde? Meinetwegen nicht vier Lasten hätte eine Chinesensippe zu erbringen, sondern ihrer acht? Würden sich die Abgaben desderwegen auf das Doppelte erhöhen? Nein! Und wieso nicht? Na,weil sie sich nicht erhöhen dürften! Die Beamten täten es verhindern! So sieht’s aus!«
    Neues Palaver.
    »Jawohl!« – »Ins Schwarze getroffen, Swirid!« – »Nicht in China sitzt der Feind, sondern in den Kanzleien!«
    Hier kann ich nicht länger an mich halten.
    »Mein Gossudar! Die Vier Lasten sind ein korrektes Gesetz, aber es wird falsch hingebogen: Weil die Vollzieher nicht auf betriebliche Anforderungen aus sind, sondern auf schwarze Verschreibungen. Dafür kommt das Gesetz ihnen zupass!«
    Der rechte Flügel stimmt mir zu.
    »Richtig, Komjaga! Am Gesetz liegt es nicht!«
    Widerspruch vom linken Flügel.
    »Ach was, das hat nichts mit den Verschreibungen zu tun, das Gesetz ist der Haken!«
    Buben vom linken Flügel springt auf.
    »Der Chinese würde mit Leichtigkeit auch sechs Lasten schultern! Und Russland hätte was davon! Man muss das Gesetz umschreiben, mein Gossudar, die Abgaben müssen erhöht werden, dann kämen die nicht mehr drauf, sich anderweitig zu verdingen – die hätten gar nicht mehr die Zeit, den Rücken zu strecken!«
    Getöse.
    »Stimmt!« – »Stimmt überhaupt nicht!«
    Jetzt steht Potyka auf – jung noch, aber wenn es drauf ankommt, mit allen Wassern gewaschen.
    »Mein Gossudar, ich denke so: Käme es zu einer Steuererhöhung, sagen wir, auf sechs Lasten oder acht, dann könnten die Chinesen mit ihren großen Sippen drauf verfallen, sich zu teilen und zu zerdröseln, sie ließen sich zu je zweien oder dreien registrieren, um die Abgaben zu drücken. Und dann sehen sie zu, dass siesich verdingen – aber nicht mehr in Minijobs, sondern als ledige Mitesser. Dann erlaubt das Gesetz ihnen, die halbe Steuerlast an ihren Dienstherrn abzutreten. Der leistet zwei Steuern und ist von der dritten befreit, wenn er ein Haus baut, das wird er an die Chinesen verkaufen. Da ziehen die ein mit Sack und Pack und müssen Steuern zahlen. Und wenn so ein Chinese dann noch eins unserer Weiber ehelicht, dann bleibt die Abgabe im Lande, dann ist er nämlich Bürger von Russland!«
    Geraune und Gerede. Ein Schlaufuchs, dieser Potyka! Sieht den Dingen auf den Grund. Nicht umsonst hat er, bevor er zur Opritschnina kam, beim Zoll in Fernost gedient. Der Alte haut mit der Faust auf den Tisch, so entzückt ist er von dem Gehörten.
    Der Gossudar schweigt. Schaut freundlich von der Decke herab mit seinen graublauen Augen. Langsam kriegen wir uns wieder ein.
    Stille breitet sich aus im Saal. Und dann spricht der Gossudar.
    »Gut. Ich habe eure Meinungen in dieser Sache gehört. Freut mich immer wieder zu erleben, dass meine Opritschnina nicht auf den Kopf gefallen ist. Die Entscheidung zum Gesetz über die Fronen werde ich morgen fällen. Heute aber verfüge ich etwas anderes: Die Zollämter der Landkreise sind der Säuberung zu unterziehen.«
    Ein Begeisterungssturm bricht los. Gott sei Dank! Endlich geht es den westsibirischen Schnapphähnen an den Kragen!
    Wir springen auf, reißen das Messer aus der Scheide.
    »Dran und drauf! Säu-be-rung!«, rufen wir.
    »Dran und drauf! Säu-be-rung! Säu-be-rung!!«
    Mit Schwung stoßen wir unsere Messer in die Tische, klatschen in die Hände, dass die Kronleuchter zittern.
    »Dran und drauf! Kehre, Besen!«
    »Dran und drauf! Kein Federlesen!«
    »Dran und drauf! Der Dreck muss weg!«
    »Ausmisten den Stall!« Das war der rollende Bass des Alten.
    »Ausmisten! Ausmisten!«, stimmen wir ein.
    Wir klatschen, bis die Handflächen brennen.
    Derweil ist das Antlitz des Gossudaren verschwunden.
    Der Alte hebt den Becher.
    »Es lebe unser Gossudar! Dran und drauf!«
    »Dran und drauf!

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