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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Dran und drauf!«
    Wir trinken und setzen uns wieder.
    »Gott sei Dank, dass es für unsereins mal wieder was zu tun gibt!«, krächzt Schelet.
    »Wird auch Zeit!«, sage ich, während ich das Messer wegstecke.
    »In den Zollämtern wimmelt es nur so von Maden!«, ruft Prawda und schüttelt angewidert seinen goldenen Schopf.
    Wieder ist der Speisesaal von Stimmen erfüllt.
    Am Tisch vom Alten wird angeregt diskutiert. Der dicke Vorsitzende der Menschenrechtsgesellschaft schlägt die schwammigen Patschhände zusammen.
    »Meine Herren! Wie lange soll unser großes Russland noch vor China das Knie beugen und im Staub kriechen? Nicht anders als in den wirren Zeiten, da wir vor dem dreckigen Amerika zu Kreuze krochen, buckeln wir jetzt vor dem Reich der Mitte! Und unser Gossudar sorgt sich, die Chinesen könnten zu viel Steuern zahlen!«
    Tschurilo Wolodjewitsch stößt ins gleiche Horn.
    »Recht hast du, Anton Bogdanytsch! Sie überschwemmen unser schönes Sibirien, und wir sollen unsGedanken über ihre Abgaben machen! Sollen sie ruhig noch mehr zahlen!«
    »Die Güte unseres Gossudaren kennt wirklich keine Grenzen«, sagt der Saunameister Mamona und wiegt das kahle Haupt.
    »Die Güte unseres Gossudaren ist Futter für die Hyänen an den Grenzen. Dieses räuberische Gesindel ist unersättlich!«, sagt der Paraxiliarch und streicht sich den Graubart.
    Unser Alter beißt von einem Truthahnschenkel ab und kaut, dabei hält er den Schenkel in die Höhe.
    »Was glaubt ihr, wo zum Beispiel das hier herkommt?«
    »Von drüben, Ältester!«, sagt Schelet und lacht.
    »Genau. Von drüben! Und nicht nur das Fleisch. Auch das Brot, das wir essen, kommt aus China.«
    »Und die Merins, die wir fahren!«, grinst Prawda.
    »Und die Boeings, in denen wir fliegen!«, wirft Porochowschtschikow ein.
    »Und die Gewehre, mit denen unser Gossudar auf Entenjagd zu gehen beliebt!«, nickt der Jäger.
    »Und die Betten, in denen wir Kinder machen!«, ruft Potyka vorlaut.
    »Und die Kloschüsseln, in die wir k… Auch aus China!«, füge ich hinzu.
    Alles lacht. Der Alte erhebt weise den Zeigefinger.
    »So ist es! Und da die Lage nun einmal so ist, gehört es sich, mit China Frieden und Freundschaft zu halten, anstatt herumzustänkern. Unser Gossudar ist weise und sieht der Sache auf den Grund. Und du, Anton Bogdanytsch, willst ein Staatsmann sein und führst so oberflächliche Reden!«
    »Ich finde ja nur, es ist kein Ruhmesblatt für unser edles Reich!«, sagt der Vorsitzende und wirft den Kopfso ungestüm hin und her, dass sein Dreifachkinn wie Sülze schwabbelt.
    »Unser Reich vergeht schon nicht, keine Angst. Die Hauptsache ist, wie unser Gossudar sagt, dass jeder an seinem Platz dem Wohl des Vaterlandes dient! Stimmt’s oder hab ich recht?«
    »Jawohl!«, bekräftigten wir.
    »Und wenn es so ist, dann möge Russland lange leben!«
    »Es lebe Russland! Dran und drauf! Hoch lebe Russland!«
    Wieder sind alle aufgesprungen. Die Becher fahren scheppernd zusammen. Wir sind noch am Trinken, da folgt schon der nächste Spruch.
    »Auf unseren Ältesten! Dran und drauf!«
    »Dran und drauf! Dran und drauf!«
    »Ein Hoch auf den geliebten! Heil dir, Ältester! Erfolg im Kampf gegen den Feind! Allzeit Mumm! Und ein scharfes Auge!«
    Wir trinken auf unseren Anführer. Der sitzt da und kaut, spült den Kagor mit Kwass nach. Zwinkert uns zu. Und hakt urplötzlich die beiden Zeigefinger ineinander.
    Saunafreuden!
    Hoho! Alle Wetter! Das Herz tut einen Sprung. Wach ich oder träum ich? Aber nein, es ist so: Der Alte hält die Zeigefinger verhakt und zwinkert in die Runde. Wen es angeht, der versteht das Zeichen.
    Das nenne ich eine Überraschung! Eigentlich ist Samstag Saunatag, und längst nicht jeder. Mein Herz klopft stürmisch, ich schaue Schelet und Prawda an: Auch sie sind bass erstaunt. Rutschen auf ihren Stühlen herum, ächzen, kratzen sich, zwirbeln die Bartenden. Posocha zwinkert mir zu und grient.
    Alle Müdigkeit ist sogleich wieder verflogen. Es geht in die Sauna! Ich blicke auf die Uhr: 23:12. Noch achtundvierzig Minuten müssen wir uns gedulden. Kein Problem. Gemach, Komjaga! An der Geduld erkennt man den Mann. Und das ist gut so.
    1 (chin.) Begünstigung

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    DIE UHR IM SAAL schlägt Mitternacht. Die Abendtafel der Opritschnina ist aufgehoben. Alles erhebt sich. Mit mächtigem Organ dankt der Alte dem Herrgott für das Mahl. Wir schlagen das Kreuz und verbeugen uns. Dann begeben sich alle zum Ausgang. Das heißt: nicht alle. Die

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