Tag des Opritschniks, Der
Nächsten – oder wie wir sie noch nennen: die Erlesenen – bleiben. Ich gehöre dazu. Das Herz schlägt vor Erwartung im Halse … Wie sehr genieße ich dieses Vorgefühl! Im leer gewordenen Saal, in dem die Dienerschaft hin- und herhuscht, sind die beiden Flügel sitzen geblieben, dazu die Hellsten unter den Jüngeren, der hoffnungsvolle Nachwuchs: Ochlop, Potyka, Komol, Jolka, Awila, Obdul, Warjony und Igla. Wie handverlesen sitzen sie da: Milch und Blut, goldblonde Feuerköpfe.
Nun steht der Alte auf und geht aus dem großen Saal in den kleinen hinüber. Wir ihm nach: erst der rechte Flügel, dann der linke, dann die Jungen. Die Diener schließen hinter uns die Tür. Der Alte geht zum Kamin mit den drei bronzenen Recken, zieht an Ilja Muromez’ Streitkeule. Neben dem Kamin öffnet sich in der Wand ein Spalt. Der Alte steigt als Erster dort hinein, wir – streng nach Rangordnung – hinterdrein. Kaum bin ich drin, weitet mir der Badestubengeruch die Nüstern. Dieser Geruch macht mich schwindlig, das Blut pocht in den Schläfen wie mit kleinen Silberhämmern. Es geht in die Banja vom Alten!
Wir steigen die schummrige Steintreppe hinab, tiefer und immer tiefer. Jeder Schritt dorthin ist ein Geschenk, ist pure Vorfreude. Dabei frage ich mich immernoch, wie der Alte auf die Idee kommt, heute einen Saunaabend zu veranstalten? Die Freuden nehmen kein Ende! Erst der Genuss der goldenen Fischlein, und nun auch noch das: gemeinsam schwitzen.
Licht flammt auf, die Tür zur Umkleide ist aufgegangen. Die drei persönlichen Bademeister des Alten begrüßen uns – Iwan, Sufar und Zao. Alle drei alt und erfahren genug, um Vertrauenspersonen zu sein. Dem Charakter nach verschieden, verschiedenen Blutes auch, und jeder packt anders zu. Gemein ist den dreien, dass jeder ein Gebrechen hat – Sufar und Zao sind stumm, Iwan ist taub. Das ist nicht nur für den Alten klüger, sondern auch für sie selbst: Die Bademeister der Opritschniki haben so einen bessren Schlaf und ein längeres Leben.
Wir lassen uns nieder, legen die Kleider ab. Die Bademeister helfen ihrem Herrn beim Ausziehen. Währenddessen, um nicht unnötig Zeit zu verlieren, ergreift der Alte das Wort.
»Zur Sache. Wer hat was zu berichten?«
Die vom linken Flügel legen vor: Wosk und Sery haben den Kämmerern im Schatzhof endlich das unterirdische Kitai-Gorod abgeknöpft, die Baustelle ist jetzt komplett in unserer Hand. Netschai hat zwei Anzeigen gegen Graf Obolujew dabei, Buben das Geld für einen abgekauften Fall, Baldochai hat sich in Amsterdam von Rechts wegen mit der russischen Gemeinde angelegt und schwarze Verschreibungen mitgebracht, Samosja bittet um Geld in seinem persönlichen Schadensfall, er hat das Auto eines Strelitzen zu Klump gefahren. Ohne ein Wort des Vorwurfs gibt der Alte ihm fünfhundert Rubel in Gold.
Wir vom rechten Flügel waren nicht ganz so tüchtig heute: Mokry hat sich mit den Händlern um den Vergnügungspark Odinzowo gezofft, vorerst ergebnislos; Posocha war bei der amtlichen Folter einiger krimineller Luftschiffer aktiv zugegen; Schelet hat die Zeit in der Auswärtigen versessen, Jerocha ist wegen regulärer Gasgeschäfte nach Urengoi geflogen; Prawda hat Sicherheitszonen angelegt und einem Geächteten die Wohnung abgefackelt. Als Einziger habe ich Beute gemacht: »Hier, Ältester, sind zwoeinhalb. Die Koslowa hat einen halben Fall abgekauft.«
Der Alte nimmt das Säckchen entgegen, wägt es in der Hand, bindet es auf, zählt zehn Goldrubel ab und händigt sie mir aus, als zustehenden Anteil. Und zieht die Bilanz.
»Ein einträglicher Tag.«
Es gibt andere im Fahrtenbuch der Opritschnina: Festtage, üppige Tage, heiße Tage, aufwändige, abträgliche und fiese Tage, so nennen wir sie.
Die Jungen sitzen dabei und lauschen, hier lernen sie was.
Geld und Dokumente verschwinden in dem weißleuchtenden Quadrat im alten Mauerwerk. Derweil ziehen die Bademeister dem Alten die Hosen aus. Der Alte klatscht sich auf die nackten Knie.
»Ich hab noch eine Neuigkeit für euch, meine Herren Opritschniki. Graf Urussow ist nackent.«
Wir sitzen sprachlos da.
»Nanu? Wie das??«, bekommt Baldochai als Erster den Mund auf.
»Halt eben so«, sagt der Alte und kratzt sich die schweren neuen Klöten. »Auf Erlass des Gossudaren aus allen Ämtern entlassen, Konten gesperrt. Aber das ist noch nicht alles.«
Der Kommandeur mustert uns mit gespanntem Blick.
»Anna Wassiljewna hat die Scheidung von Graf Urussow eingereicht.«
Ach. Das ist
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