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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Rabauken vom Leibe halten, junger Freund. Reichen Sie ihnen auch nur einen Finger, und Sie sehen ihn nie wieder.
    Organisation ist alles. Ich wollte noch einmal ganz von vorn anfangen. Einen Plan für jede Klasse aufstellen, nach dem jede Minute bis zum Schuljahresende genutzt wurde. Ich war der Kapitän, und ich würde den Kurs bestimmen. Die Schüler würden meine Entschlossenheit spüren. Sie würden merken, wohin die Reise ging und was von ihnen erwartet wurde, sonst …
    Sonst … Tja, Mister, das sagen alle Lehrer. Sonst … Wir dachten, Sie würden es anders machen, wo Sie doch aus Irland sind und so.
    Höchste Zeit, das Kommando zu übernehmen. Schluß jetzt, sagte ich. Vergeßt die Sache mit Irland. Keine Geschichten mehr. Keine Spielchen mehr. Der Englischlehrer wird jetzt
Englisch unterrichten und sich nicht von kleinen Teenagertricks aus dem Konzept bringen lassen.
    Holt eure Hefte heraus. Ja, genau, eure Hefte.
    Ich schrieb an die Tafel, »John ging in den Laden.«
    Ein Stöhnen lief durch den Raum. Was verlangt der von uns? Englischlehrer, einer wie der andere. Da ist er wieder. Der doofe alte John mit seinem Laden. Grammatik! Du glaubst es nicht.
    Also schön. Was ist das Subjekt dieses Satzes, der Satzgegenstand ? Kann mir jemand sagen, was der Satzgegenstand ist? Ja, Mario?
    Es geht um diesen Typ, der in den Laden geht. Das kapiert doch jeder.
    Ja, ja, das ist der Inhalt des Satzes, aber was ist der Satzgegenstand ? Welches Wort? Ja, Donna.
    Ich finde, Mario hat recht. Es geht darum, daß …
    Nein, Donna. Der Satzgegenstand hier ist ein einziges Wort.
    Wieso?
    Was soll diese Frage? Du machst doch auch Spanisch? Macht ihr in Spanisch keine Grammatik? Erklärt euch Miss Grober nicht die Satzteile?
    Ja, schon, aber die nervt uns nicht ständig mit John, der in den Laden geht.
    Ich bekomme einen heißen Kopf und würde sie am liebsten anbrüllen, ihr habt ja wirklich von nichts eine Ahnung! Habt ihr noch nie eine Grammatikstunde gehabt? Herrgott noch mal, sogar ich hatte Grammatikstunden, noch dazu auf irisch. Warum tu ich mir das an, an diesem sonnigen Morgen, während draußen die Vögel zwitschern? Warum muß ich in diese mürrischen, beleidigten Gesichter schauen? Da sitzt ihr mit euren vollen Bäuchen. Ihr seid gut angezogen und habt’s warm. Ihr bekommt eine kostenlose High-School-Bildung und seid kein bißchen dankbar dafür. Ein wenig Mitarbeit, ein wenig Beteiligung, mehr verlange ich doch gar nicht. Die einzelnen Satzteile unterscheiden. Mein Gott, ist das zuviel verlangt?

    Es gibt Tage, an denen würde ich am liebsten hier rausspazieren, die Tür hinter mir zuknallen, dem Rektor sagen, er kann sich meinen Job sonstwohin stecken, zur Fähre hinuntergehen, nach Manhattan übersetzen, durch die Straßen laufen, mir im White Horse ein Bier und einen Hamburger bestellen, am Washington Square sitzen, tollen NYU-Studentinnen nachschauen, die McKee High School für immer vergessen. Für immer. Eins ist klar: Ich kann nicht mal die simpelsten Sachen unterrichten, ohne auf Einwände der Schüler zu stoßen. Auf ihren Widerstand. Ein einfacher Satz: Subjekt, Prädikat und eventuell, falls wir irgendwann noch so weit kommen, auch das Objekt, direkt und indirekt. Ich weiß nicht, was ich noch mit ihnen machen soll. Es mit den üblichen Drohungen probieren. Paßt auf, oder ihr kommt nicht mehr mit. Wenn ihr nicht mehr mitkommt, schafft ihr den Abschluß nicht, und ohne Abschluß seid ihr bla, bla, bla. Alle eure Freunde werden draußen in der großen weiten Welt sein und sich ihre High-School-Diplome an die Bürowände pinnen, erfolgreich, bei jedermann angesehen. Könnt ihr euch nicht einfach diesen Satz anschauen und versuchen, wenigstens ein einziges Mal in eurem jämmerlichen Teenagerdasein etwas zu lernen?
    Jede Klasse hat ihre eigene Chemie. Es gibt Klassen, mit denen es Spaß macht und auf die man sich freut. Die Schüler wissen, daß man sie mag, und deshalb mögen sie einen auch. Manchmal sagen sie einem, das war eine ziemlich gute Stunde, und dann freut man sich wie ein Schneekönig. Irgendwie gibt einem das Kraft, und auf dem Heimweg möchte man am liebsten singen.
    Es gibt Klassen, bei denen wünscht man sich, sie würden die Fähre nach Manhattan nehmen und nie mehr wiederkommen. Beim Hereinkommen und Hinausgehen strahlen sie eine Feindseligkeit aus, die einem verrät, was sie von einem denken. Vielleicht ist aber alles auch nur Einbildung, also überlegt man, womit man sie auf seine

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