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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Seite ziehen könnte. Man probiert es
mit Stunden, die bei anderen Klassen gut gelaufen sind, aber nicht einmal das hilft. Das liegt an der Chemie.
    Sie merken es, wenn man sich von ihnen zurückzieht. Sie wittern jede Frustration des Lehrers. Es gab Tage, da wäre ich am liebsten an meinem Pult sitzengeblieben und hätte sie tun lassen, was immer sie wollten. Ich konnte einfach nicht zu ihnen durchdringen. 1962 hatte ich die ersten vier Jahre hinter mir, und es machte mir nichts mehr aus. Ich redete mir ein, es hätte mir noch nie etwas ausgemacht. Man unterhält sie mit Geschichten aus seiner unglücklichen Kindheit. Sie machen all die unehrlichen Geräusche. Oh, armer Mr. McCourt, muß ja schrecklich gewesen sein, so in Irland aufzuwachsen. Als ob sie das interessierte. Nein. Sie sind nie zufrieden. Ich hätte den Rat erfahrener Kollegen befolgen und den Mund halten sollen. Sagen Sie ihnen nichts. Die benutzen Sie nur. Die durchschauen Sie und spüren Sie auf wie wärmegesteuerte Flugkörper. Sie finden heraus, wo Ihre Schwachstellen sind. Wissen sie womöglich, daß »John ging in den Laden« so ziemlich das Äußerste ist, was ich an Grammatik wagen kann? Führt mich nicht zu Gerundien, nachgestellten Partizipien, inneren Objekten. Das wäre mein Ende.
    Ich blickte finster in die Runde und setzte mich ans Pult. Genug. Ich konnte die Scharade des Grammatiklehrers nicht fortsetzen.
    Ich fragte, warum ging John in den Laden?
    Sie schauten verblüfft auf. He, Mann, was soll das? Das hat doch nichts mit Grammatik zu tun.
    Ich stelle euch eine einfache Frage. Hat nichts mit Grammatik zu tun. Warum ging John in den Laden? Könnt ihr euch das nicht denken?
    Ganz hinten hebt jemand die Hand. Ja, Ron?
    Ich denke mal, John ist in den Laden gegangen, um sich ein Buch über englische Grammatik zu kaufen.
    Und warum ging John in den Laden, um sich eine englische Grammatik zu kaufen?

    Weil er alles wissen und dann hier reinkommen und bei dem guten alten Mr. McCourt Eindruck schinden wollte.
    Und warum will er bei dem guten alten Mr. McCourt Eindruck schinden?
    Weil John eine Freundin namens Rose hat, und die ist ein braves Mädchen und kennt sich prima mit der Grammatik aus und wird nach ihrem Abschluß mal Sekretärin in einer großen Firma in Manhattan, und John mag kein Dummkopf bleiben, weil er ja Rose heiraten will. Deswegen geht er in den Laden, um sich ein Grammatikbuch zu kaufen. Er wird ab sofort ein braver Junge sein und sein Buch durcharbeiten, und wenn er etwas nicht versteht, fragte er Mr. McCourt, weil Mr. McCourt weiß alles, und wenn John Rose heiratet, lädt er Mr. McCourt zur Hochzeit ein und bittet ihn, bei seinem ersten Kind Pate zu sein, und das wird nach Mr. McCourt auf den Namen Frank getauft.
    Danke, Ron.
    Stürmischer Applaus und anerkennende Zurufe, aber Ron war noch nicht fertig. Er meldete sich noch einmal.
    Ja, Ron?
    Als John in den Laden ging, hatte er kein Geld, also mußte er das Grammatikbuch klauen, aber als er damit aus dem Laden raus wollte, wurde er festgehalten, und die Polizei wurde gerufen, und jetzt sitzt er in Sing-Sing, und die arme süße Rose weint sich die Augen aus.
    Die anderen bekundeten ihr Mitgefühl. Arme Rose. Die Jungen wollten wissen, wo sie wohnt, und boten sich an, John zu vertreten. Die Mädchen tupften sich die Augen, bis Kenny Ball, der harte Bursche der Klasse, sagte, das ist doch bloß eine Geschichte, und was soll überhaupt der ganze Scheiß? Er sagte, der Lehrer schreibt einen Satz an die Tafel, und im nächsten Moment rennt der Typ in einen Laden und schnappt sich ein Buch und landet in Sing-Sing. So ein Mist, wo gibt’s denn so was, ist das hier eine Englischstunde oder was?

    Ron sagte, na ja, dann fällt dir ja bestimmt was Besseres ein.
    Diese ganzen erfundenen Geschichten taugen doch zu nix. Oder helfen die einem vielleicht, Arbeit zu finden?
    Es klingelte. Sie gingen hinaus, und ich wischte »John ging in den Laden« weg.
    Am nächsten Tag hob Ron wieder die Hand. He, Mister, was würde passieren, wenn man mit den Wörtern rumspielt?
    Wie meinst du das?
    Also gut. Sie schreiben an die Tafel, »In den Laden John ging.« Was wär das?
    Immer noch dasselbe. John ist immer noch der Satzgegenstand.
    Okay. Und wie wär’s mit »Ging John in den Laden« ? Dasselbe.
    Oder »John in den Laden ging«. Wäre das auch okay?
    Natürlich. Versteht man doch, oder? Aber du könntest schon Unsinn daraus machen. Wenn du zu jemandem sagst, John Laden in den ging, dann

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