Tag und Nacht und auch im Sommer
Meinung, sagte sie, aha, Sie stimmen mir zu? Sie wissen also, daß Sie ein Betrüger sind?
Ich versuche nur, über die Runden zu kommen. Die Kinder stellen mir Fragen über mein Leben, und ich antworte ihnen, denn wenn ich versuche, ihnen Englisch beizubringen, hören sie mir nicht zu. Sie schauen aus dem Fenster. Sie dösen. Sie knabbern an Sandwiches. Sie bitten um den Paß.
Sie könnten ihnen beibringen, was sie lernen sollen, die Rechtschreibung und die großen Wörter. Mein Sohn Paulie muß in die Welt hinaus, und was soll er machen, wenn er nicht richtig schreiben und die großen Wörter benutzen kann, hm?
Ich sagte Paulies Mutter, ich hoffte, irgendwann einmal ein meisterlicher Lehrer zu sein und selbstbewußt vor der Klasse zu stehen. Einstweilen könne ich mich nur redlich bemühen. Irgendwie rührte sie das zu Tränen. Sie kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch, und das dauerte so lange, daß ich ihr meines anbot. Sie schüttelte den Kopf. Sie fragte, wer macht Ihnen denn die Wäsche? Dieses Taschentuch. Herrgott, damit würde ich mir nicht mal den Arsch abwischen. Sind Sie Junggeselle oder was?
Ja, bin ich.
Das seh ich an dem Zustand von dem Taschentuch. Das ist das traurigste vergraute Taschentuch, das ich je gesehen hab. Das ist Junggesellengrau. Ihre Schuhe genauso. Ich hab noch nie so
traurige Schuhe gesehen. Keine Frau würde zulassen, daß Sie sich Schuhe wie die da kaufen. Man sieht sofort, daß Sie nicht verheiratet sind.
Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab. Glauben Sie, mein Paulie weiß, wie man Taschentuch schreibt?
Nein, glaub ich nicht. Es steht nicht auf der Liste.
Na, sehen Sie? Ihr habt keine Ahnung. Ihr habt Taschentuch nicht auf eurer Liste, dabei muß er sich sein Leben lang die Nase schneuzen. Wissen Sie, was Sie auf der Liste haben? Ususfruktus, du meine Güte, U-s-u-s-f-r-u-k-t-u-s. Wer hat sich denn das ausgedacht? Ist das eins von diesen Wörtern, mit denen ihr auf euren überkandidelten Cocktailpartys in Manhattan rumschmeißt ? Was in Dreiteufelsnamen soll Paulie mit so einem Wort anfangen? Und noch eins, m-i-s-o-g-y-n. Ich hab sechs Leute gefragt, was das bedeuten soll. Ich hab sogar hier auf dem Flur einen Konrektor gefragt. Er hat so getan, als ob er’s wüßte, aber genausogut hätt er einen Furz lassen können. Klempner. Mein Sohn wird mal Klempner, und dann kriegt er massig Kohle für seine Hausbesuche, genau wie ein Arzt, und deshalb seh ich nicht ein, warum er sich den Kopf mit Zwanzigdollarwörtern wie Ususfruktus und dem anderen da vollstopfen soll. Sie vielleicht?
Ich sagte, man müsse aufpassen, womit man sich den Kopf vollstopft. Meiner sei so angefüllt mit Zeug aus Irland und dem Vatikan, daß ich kaum zu einem eigenen Gedanken fähig sei.
Sie sagte, es sei ihr egal, was ich im Kopf hätte. Das sei verdammt noch mal meine eigene Angelegenheit, und ich sollte es gefälligst für mich behalten. Jeden Tag kommt mein Paulie nach Hause und erzählt uns diese Geschichten, aber die müssen wir uns nicht anhören. Wir haben unsere eigenen Sorgen. Sie sagte, man sehe sofort, daß ich frisch vom Schiff runter sei, ahnungslos wie ein kleiner Spatz, der aus dem Nest gefallen ist.
Nein, ich bin nicht frisch vom Schiff runter. Ich war in der Army. Wie könnte ich da ahnungslos sein? Ich hab die verschiedensten
Jobs gehabt. Ich hab im Hafen gearbeitet. Und ich hab ein abgeschlossenes Studium an der New York University hinter mir.
Sehen Sie? sagte sie. Genau das mein ich. Ich stelle Ihnen eine simple Frage, und Sie erzählen mir Ihre Lebensgeschichte. Da müssen Sie aufpassen, Mr. McCurd. Diese Kinder müssen nicht die Lebensgeschichte von jedem Lehrer an der Schule kennen. Ich bin bei den Nonnen gewesen. Die haben einen nicht mal gegrüßt. Wenn man die nach ihrem Leben gefragt hat, haben sie einem gesagt, man soll sich um seinen eigenen Kram kümmern, haben einem das Ohr verdreht und eins über die Knöchel gezogen. Halten Sie sich an die Rechtschreibliste und an die Wörter, Mr. McCurd, und die Eltern dieser Schule werden Ihnen ewig dankbar sein. Vergessen Sie das Geschichtenerzählen. Wenn uns nach Geschichten ist, schauen wir zu Hause ins Fernsehprogramm oder lesen Reader’s Digest .
Ich bemühte mich. Ich dachte, es würde mir gefallen, ein strenger, unnachsichtiger Englischlehrer zu sein, ernst und gelehrt, der einen gelegentlichen Lacher duldet, aber nicht mehr. Die alten Hasen in der Kantine sagten mir, man muß sich diese kleinen
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