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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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verblüfft darüber. Bevor ich nach Clare rief, damit sie Zeugin des Wunders würde, warf ich einen Blick in den Spiegel der Ankleidekabine. Die milchkaffeefarbene Seide protestierte gegen die fleckige Blässe meiner Haut, aber das war nichts, was man nicht mit einem Eimer übelriechenden Selbstbräuners richten könnte. Ich löste vorsichtig mein Haar. Man muss wissen, dass es ein Eigenleben führte. Es fiel in langen, vollen Wellen bis zu meinen breiten Hüften hinab, aber wenn sich das Licht in meinem Haar fing, schimmerte es golden. Das Kleid war wie Clares rückenfrei, aber der größte Teil meines sommersprossenübersäten Rückens war verborgen unter dem Teppich aus endlos langem roten Haar. Dankbarkeit erfüllte mich. Ich liebte dieses Kleid. In meinem Leben hatte ich viele grässliche Brautjungfernkleider gesehen, und der Gedanke daran, eine solche Kreation tragen zu müssen, hatte mir Angst gemacht.

    »Clare, Clare, Größe 40 passt!«, brüllte ich aus der engen Ankleidekabine – hier »Boudoir« genannt. Clare zog den dünnen Vorhang vor der Kabine zurück.
    »Mir war klar, dass es passen würde. Du hast in den letzten Monaten abgenommen.« Sie fummelte an dem Stoff herum, der meine Brüste umspannte, und zog ihn hoch. »Wir müssen es diesen Babys vielleicht etwas bequemer machen«, kicherte sie. Meine Brüste – mein Stolz und meine Freude – brannten darauf, Sauerstoff zu bekommen. Größe 40 mit gewaltigen Titten in milchkaffeefarbener Seide? So könnte ich diese Hochzeit angehen. Ich könnte meine Schwester stolz machen. Ich beugte mich hinunter und zog sie an mich. Ein reißendes Geräusch durchschnitt die Luft. Größe 40 passte zwar, allerdings nur, wenn ich mich nicht wirklich bewegte. Ich konnte laufen, aber nur geradeso.
    Eine der BBs bot an, das Kleid etwas herauszulassen, aber davon wollte ich nichts hören.
    »Vor der Hochzeit nehme ich ohnehin noch ein paar Pfund ab«, versicherte ich ihr. Stress. Es gab einfach kein besseres Mittel für ein bisschen unverdienten Gewichtsverlust. Am Ende von Shanes sechsmonatiger Abwesenheit würde ich so dünn wie eine Stabheuschrecke sein, eine knochendürre Schönheit, nur Ecken und Kanten. Die Leute würden sagen: »Grace, du hast so viel Gewicht verloren«, und zwar auf dieselbe Art, auf die sie sagen würden: »Grace, ich habe gehört, dass du todkrank bist, wie tragisch.« Ich würde auf sie hinablächeln und auf meinen Stelzenbeinen davonstaksen. Ich könnte …
    »Grace, Grace …« Die Stimme meiner Schwester schien aus weiter Ferne zu kommen. Ich blinzelte und nahm wieder wahr, wo ich mich gerade befand. Clare zog mich am Ellbogen.

    »Entschuldige, Clare, ich war nur gerade für einen kurzen Augenblick in meinem Paralleluniversum.«
    »Das, in dem du so spindeldürr wie nach einer Hungersnot bist und Shane sich nach einer festen Bindung verzehrt?« Ich nickte träumerisch. Der Glanz meines Tagtraums wärmte mich noch. Dann erinnerte ich mich. »Und Patrick …«
    »Ich weiß, Grace, ich weiß.« Clare lehnte sich zu mir und nahm mich in den Arm. Eine der BBs hüstelte diskret.
    »Ähm, Miss O’Brien, wir erwarten in zehn Minuten eine andere Hochzeitsgesellschaft …«
    Der Satz hing in der Luft, während Clare und ich sie anstarrten. Schließlich dämmerte es uns.
    »Oh, richtig.« Jetzt verstand ich. »Das hier ist ein bisschen so, wie wenn Madonna einkaufen geht, nur mit zeitlicher Beschränkung? Ich hab mich schon gefragt, warum wir die einzigen Leute im Laden sind, dachte, dass Sie vielleicht schwere Zeiten durchmachen. Ha, ha.« Auf meinen kleinen Scherz kam keine Antwort.
    »Keine Sorge, ich bin im Nu hier raus.«
    Ich packte den Saum meines Kleides und streckte meine Arme himmelwärts. Gedämpftes Aufkreischen, als sich eine Nadel in das zarte Fleisch meines Nackens bohrte. Die BB kam herein, zog an dem Kleid – etwas ruppiger, als ich es für nötig hielt – und befreite mich. Es knisterte elektrisch in dem beengten Boudoir, und ganze Haarsträhnen standen mir zu Berge. Wieder stand ich entblößt da, noch immer in Pilatesunterhose und mit einem monströsen schwarzen BH.
    »Also, äh, Miss O’Brien?«, fragte die BB und hob leicht eine ihrer perfekt gepflegten Augenbrauen.
    »Nennen Sie mich einfach Grace.« Ich griff nach meinen Kleidern.
    »Meinen Sie, wir könnten Sie vor der Hochzeit noch zu
einer weiteren Anprobe herbestellen?«, bohrte die BB weiter nach. Ihrem Tonfall nach zu urteilen, war sie von meiner Fähigkeit, diese

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