Tag vor einem Jahr
eingebautem CD-Spieler ausgetauscht. DVDs waren, was sie betraf, immer noch fremdes Terrain.
»Sie ist von Caroline.«
Caroline war meine Mitbewohnerin und Freundin. Darüber hinaus war sie Shanes Schwester, was unser Verhältnis in letzter Zeit etwas strapaziert hatte.
Clare geleitete uns die Treppe hinunter, der Stress hatte ihr normalerweise ganz glattes Gesicht mit Falten gezeichnet. Jetzt musste sie mit unserer Mutter losziehen, um ihr dabei zu helfen, ein Brautmutter-Outfit auszusuchen.
Ziemlich halbherzig bot ich ihnen an, sie zu begleiten, obwohl ich mir lieber einen Schneidezahn hätte ziehen lassen, und das auch noch ohne Betäubung und von einem greisen Zahnarzt, dem man wegen dubioser Arbeitspraktiken die Zulassung entzogen hatte.
Clare, ganz die Heilige, die sie war, umarmte mich und sagte mir, ich solle nach Hause gehen, duschen und mich ins Bett legen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.
Bevor ich heimging, musste ich noch mein Auto holen, das ich gestern Abend in der Arbeit hatte stehen lassen. Auf dem Zahnfleisch kriechend kam ich beim Parkplatz an. Wie immer war Ciaran, der Tag und Nacht im Einsatz befindliche Wachmann, da. Ob er wohl jemals nach Hause ging?
»Ach, Grace, mein Mädchen«, brummte er mit seiner dunklen, melodiösen schottischen Stimme. »Hast du denn kein Zuhause?« Er lächelte mich an, und tiefe Falten gruben sich in sein Gesicht. Er beugte sich aus dem Fenster der Wächterkabine. Heute sah er uralt aus, als hätte er ein schönes heißes Bad und drei Tage ununterbrochenen Schlaf nötig. Während der zehn Jahre, die ich hier bereits arbeitete, hatte er sich kein bisschen verändert, und oft stellte ich mir vor, dass er sich, nachdem ihn seine Mutter aus ihrem Leib gepresst hatte, schnell gewaschen, seine Wachmannmütze aufgesetzt, einen Bus zu unserem Parkplatz genommen und diesen nie wieder verlassen hatte.
Ich bemerkte das Auto meines Chefs, ein brandneues BMW-Cabrio, das seinen regelmäßigen Ansprachen, die er in Sachen Einsparungen an uns richtete, Hohn spottete. Schnell winkte ich Ciaran zu und eilte zu meinem Auto. Gerade als ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel suchte, hörte ich die dröhnende, joviale Stimme meines Chefs. Resigniert ließ ich die Schultern sinken und drehte mich um. Da stand er. Würde ich ein Buch schreiben und er käme
darin vor, dann würde mir keiner glauben, wie hässlich er war. Er hatte eine Glatze, die er verleugnete, indem er Strähnen seiner mausbraunen Haare über die kahle Stelle legte. Die Hose zog er über seinen dicken Bauch hoch, und ich fragte mich oft, warum ihm seine Frau nie sagte, wie unmöglich das war. Vielleicht war es ihre Rache für ein erbärmliches Leben?
Abgesehen von seinem schlecht beratenen Kleidergeschmack (er war einer der letzten Fünf auf dieser Welt, die Schulterpolster trugen – mehr muss man gar nicht wissen, um einen Eindruck zu gewinnen), besaß er die soziale Kompetenz von Attila dem Hunnenkönig. Er bestand darauf, dass jeden Montagmorgen um 8 Uhr 30 (Sarah nannte es »Null acht dreißig, Leute«.) eine Personalversammlung abgehalten wurde. In diesen Versammlungen ging es nie um etwas Positives oder Erfreuliches. Meistens bestanden sie aus Monologen über Einsparungen, miserable Prämiensätze, zunehmende Konkurrenz auf dem Markt, die später wiederum als Erklärung für unsere dürftigen Gehaltsabsprachen dienen konnten. Letzter Punkt auf der Tagesordnung war beispielsweise ein Leck in der Damentoilette, dessen Behebung bis zu vier Wochen dauern könne, weshalb wir zwischenzeitlich bitte auf einen Sprung in die fünfte Etage gehen sollten, um »unser Geschäft zu verrichten«. Im Sommer kam grundsätzlich die Klimaanlage zur Sprache. In der Regel, weil sie nicht funktionierte.
Während dieser Meetings trug ich eine dunkle Sonnenbrille – als Grund führte ich Migräne an – und nickte ein. Eines Montagmorgens flippte Laura völlig aus und schrie ihn an:
»Um Himmels willen, es ist 8 Uhr 30 am Montagmorgen. Wir haben alle einen Kater und Depressionen, können wir ZUR ABWECHSLUNG mal über etwas SCHÖNES
sprechen?« Natürlich hatte sie auf der letzten Weihnachtsparty mit ihm geknutscht, weshalb sie jetzt ziemlich zuversichtlich war, dass er sie nicht feuern würde, weil sie ihn sonst wegen sexueller Belästigung angeklagt und als den schäbigen Schürzenjäger, der er tatsächlich war, bloßgestellt hätte.
Wie auch immer, jetzt stand er hier auf dem Parkplatz, und die steife Brise hob ihm
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