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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Das sprachliche Pendant zu Kartoffelbrei und Würstchen. Ich verließ auf Zehenspitzen das Schlafzimmer. Der alte Jenkins hatte mich kürzlich angefleht, nicht mit meinen High Heels auf dem Dielenboden herumzuklackern. Es störte auf irgendeine Weise die Funktion seines Hörgeräts, und er konnte dann die Beweise, die bei Judge Judy dargelegt wurden, nicht mehr verstehen. Er nahm die Gerichtssendung auf und schaute sie zu ungewöhnlichen Tages- und Nachtzeiten an. Er war besessen von Judge Judy, was meiner Meinung nach daran lag, dass er besessen war von Frauen mit lockig aufgebauschten, überdimensionalen Hochfrisuren.
    Caroline war beim Joggen – an Wochentagen nur sechseinhalb Kilometer -, und ich hatte die Wohnung für mich. Da ich es leid war, auf Zehenspitzen zu laufen, schlitterte ich im Schlittschuhstil zum Kühlschrank. Dadurch, dass ich ein so sonderbares Wochenende hinter mir hatte, konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, welche Diät ich gerade machte. War es Doppelrahm und Proteine ohne Kohlenhydrate? Oder alles halbfett und ohne Geschmack? Die Tür des Kühlschranks öffnete sich auf missbilligende Art und Weise. Er war gähnend leer und wirkte größer als sonst. Nur die üblichen Tatverdächtigen fanden sich vereinzelt herumliegend, und ich schrieb mir – wieder einmal
– eine Liste, um nach der Arbeit das unbrauchbare Zeug auszumisten:
    Ein einzelnes Ei, vergessen in der Kühlschranktür.
    Eine Scheibe Käse, eingewickelt in zu viel Wachspapier.
    Eine Ansammlung von irrtümlich gekauftem Actimel mit Erdbeergeschmack. Wir mögen nur die ohne Fruchtgeschmack, aber manchmal vergesse ich das.
    Eine Tafel Blockschokolade, keine von uns beiden kann sich daran erinnern, sie gekauft zu haben (obwohl ich den Verdacht hege, dass ich es war, aus dem heftigen Verlangen nach Rice-Crispies mit Schokolade heraus).
    Und der Preis für das am längsten ausharrende Mitglied unserer Kühlschrankgemeinschaft geht an … eine Dose Ritz-Cocktail. Sie steht seit unserer Einweihungsparty auf der obersten Ablage des Kühlschranks. Wir können uns nicht überwinden, sie zu trinken, noch können wir es ertragen, sie wegzuwerfen, für den Fall, dass wir eines Nachts unter schwerem Alkoholentzug leiden und zu schwach sind, um zu widerstehen. Zudem bietet sie Gelegenheit, mit unseren Freunden »Wer brachte den Ritz mit auf das Fest« zu spielen, wenn wir jemanden drangsalieren wollen.
    Ich schloss die Kühlschranktür, schnappte mir aus der Obstschale eine überreife Banane und verließ die Wohnung. Meine Schuhe schlitterten die Bodendielen des Korridors entlang, als ich meinen besten Torvill&Dean-Eistanz hinlegte. (Wer von beiden war das Mädchen? Ich kann mich nie daran erinnern.) Von unten tönten in voller Lautstärke die Eröffnungsworte von Judge Judy.
    »Echte Leute, echte Fälle.«
    »Echter Scheiß«, sagte ich laut, bevor ich Mrs Murphy, die Einsiedlerin von oben, bemerkte, die wie ein Geist den
Korridor hinunterglitt und einen dicken Brief an ihre Brust drückte. Sie wirkte wie eine Nonne in Zivil, obwohl ich, glaube ich, noch nie so eine gesehen habe. Allerdings habe ich eine ungefähre Vorstellung davon, wie sie ohne ihre Tracht und ohne ihr Brusttuch aussehen könnten. Ich lächelte sie an, als hätte ich nicht gerade laute Selbstgespräche geführt. Vielleicht dachte sie ja, es seien nur die Stimmen in ihrem Kopf.
    Ich trat ins Freie und ging um die Ecke herum zu der kleinen Straße, in der ich mein Auto geparkt hatte. Meine Absätze klackerten laut auf dem leeren Pflaster. Es war früh am Morgen. Mein Atem sammelte sich in weißen Wölkchen vor meinem Gesicht, aber meine Hände fühlten sich heiß und feucht an. Sie waren im Inneren meiner Manteltaschen zu Fäusten geballt. Letzte Nacht, in optimistischer Gemütsverfassung dank einer Pizza (einer dicken Pfannenpizza mit Pepperoni) und zwei kalten Bieren, hatte ich mich selbst davon überzeugt, dass das Schlimmste, was geschehen konnte (Entlassung), gar nicht so schlimm sei: Freie Zeit bei Lohnfortzahlung, um mich nach einer besseren Stelle umzusehen. Heute Morgen war ich mir da nicht mehr ganz so sicher.
     
    Ich kam um 8 Uhr ins Büro – ein Novum für mich – und genoss Ciarans entsetzten Blick, als er seine Kappe in meine Richtung hob. Die EDV-Abteilung lag gnädigerweise verlassen da, und ich rannte beinahe zu meinem kleinen Platz in dieser Welt, meinem Arbeitsbereich. Ich berührte das sanfte Blau der Trennwände und sank auf meinen schwarzen

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