Tag vor einem Jahr
Küchentisch, aß eine Banane und trank Saft (bio natürlich).
Sie trug ihre Joggingklamotten und ihr T-Shirt war durchgeschwitzt. Ihr Haar hatte sie oben auf dem Kopf zu einem wilden Knoten zusammengebunden, und ihre Wangen hatten sich bei ihrer täglichen Runde um den Park vor Anstrengung gerötet.
Sie sah wunderschön aus.
Ich nahm meine Schokopops aus dem Schrank, setzte mich ihr gegenüber und schaufelte mir eine Handvoll davon in den Mund.
»Okay, was ist los?«, fragte Caroline schließlich. Ich hörte auf zu kauen und trank einen großen Schluck Milch aus dem Tetrapack, wobei ich vergaß, dass ich das eigentlich nicht machen durfte, wenn Caroline in der Nähe war. Oder eigentlich überhaupt nicht.
»Du wirst es nicht glauben«, begann ich, zum einen um es spannend zu machen, zum anderen weil ich wirklich nicht dachte, dass sie es glauben würde. Ich glaubte es ja selbst kaum, doch wenn Clare es mir erzählt hatte, musste es wohl stimmen.
»Was?«, fragte Caroline pflichtschuldig.
»Meine Mutter ist losgezogen und hat sich einen Kerl gesucht. Einen Freund. Einen Partner. Eine bessere Hälfte. Einen Klotz am Bein. Einen …«
»Grace, halt, halt, HALT.« Caroline hielt ihre Hände hoch, um meinem Redefluss Einhalt zu gebieten, was ihr auch gelang. Sie wirkte echt überrascht, was mich freute.
Ich zog meinen Vorteil aus der Situation, indem ich einen Schluck Orangensaft aus dem offenen Tetrapack, der auf dem Tisch neben mir stand, trank.
»Igittt«, kreischte ich los. »Was ist das für ein Zeug?«
»Das ist Karottensaft.« Sie entfernte den Tetrapack aus meiner Reichweite und äugte hinein. Sollten dort drinnen kleine Stückchen Schokopops schwimmen, sagte sie es nicht, so überrascht war sie.
»Ich mache dir eine schöne Tasse Kaffee«, bot sie an, so als stünde ich unter Schock oder etwas in der Art. Vielleicht tat ich das ja auch. Vielleicht war es nur noch nicht in mein Bewusstsein gedrungen.
»Richtigen Kaffee?«, wollte ich wissen. Sie nickte.
»Mit ordentlich Koffein?«
»Ja, und ich mache dir auch einen frischen Obstsalat, in Ordnung?«
»Äh, nein, nur den Kaffee, bitte«, antwortete ich schnell. Es war Sonntag, mein Leben befand sich in einer kleinen Krise, und Krisensituationen verlangten nach richtigem Essen, etwa einem Sandwich mit Schinkenspeck und Kartoffelchips, mit echter Butter bestrichen und mit brauner
Soße, dazu einen Hauch Senf und daneben gut gesalzene Pommes frites. Da ich mit einem Gesundheitsapostel lebte und in letzter Zeit nicht dazu gekommen war, ein paar anständige Lebensmittel einzukaufen, war es wahrscheinlicher, dass George Bush ankündigte, er sei ein Pazifist, als dass sich in unserem sparsam bestückten Kühlschrank Speckscheiben, Brot, Butter und Kartoffeln finden würden, also gab ich mich mit Kaffee und Schokopops zufrieden. Ich erzählte Caroline, was ich über Jack Frost wusste, und das war nicht viel, aber ich dehnte die Geschichte auf gut fünfzehn Minuten aus. Was Clare gesagt hatte, wiederholte ich nicht. Das mit Mam und dem Weitermachen. Das sagte ich nicht.
Caroline, die vor meiner Mutter ziemlichen Respekt hatte, schien ernsthaft beeindruckt von der Fähigkeit der älteren Lady zu sein, sich einen Mann zu angeln, wo die Ausbeute in der Großstadt doch so gering war.
»Alle Achtung«, sagte sie nachdenklich.
»Ich könnte am Ende einen Stiefvater bekommen.« Mir war dieser Gedanke ganz plötzlich in den Sinn gekommen.
Caroline lachte mich aus. »Das könntest du in der Tat. Er geht vielleicht am Sonntag mit dir in den Zoo und verspricht dir zu Weinachten ein Pony. Das wird herrlich.«
Caroline lächelte mich an und griff über den Tisch nach meiner Hand.
»Im Ernst, das ist eine gute Nachricht. Deine Mutter beginnt wieder zu leben. Das ist wirklich erfreulich.« Sie musterte mich mit besorgtem Blick, als könnte sie meine Gedanken lesen. Als ich nichts sagte, fuhr sie fort.
»Und man kann nie wissen, vielleicht gehört zu diesem Kerl ja eine Fußballmannschaft unverheirateter Söhne, die wir uns teilen könnten?« Caroline hob fragend ihre Augenbrauen.
»Na, ich bin versorgt«, entgegnete ich. Und als sie nicht antwortete: »Mit Shane und so. Aber ich werde gerne diskrete Nachforschungen für dich anstellen, ja?«
»Wie heißt er? Der, äh, Freund deiner Mutter.« Auch sie hatte mit diesem Wort Schwierigkeiten.
»Jack Frost«, sagte ich und wartete.
»Niemals«, widersprach sie, und schon war’s um uns geschehen. Wir platzten vor
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