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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Umschweife versenkte ich sie wieder im Schubladenkasten und schloss ihn. Damit er nicht aufglitt, stemmte ich meinen Fuß dagegen. Laura bemerkte es nicht. Sie hatte ein Anliegen und wollte nach der Arbeit auf einen Drink ausgehen. Ich schüttelte schon meinen Kopf.
    »Eine halbe Stunde. Höchstens. Das ist alles, um was ich dich bitte.«
    Ich sah zu ihr auf, und meine Augenbrauen berührten fast meinen Haaransatz.
    »Als Nächstes sagst du warscheinlich noch: nur auf einen Drink«, meinte ich.
    »Lieber Gott, nein, nichts in der Art.« Sie war über diese Unterstellung beleidigt. »Okay, okay, allerhöchstens vierzig Minuten. Wir gehen auf zwei Drinks, ich erzähle dir von mir und Peter, und du kannst mir von dir und Bernard erzählen.«
    Ich hörte damit auf, so zu tun, als würde ich eine wichtige Information in den Computer eingeben.
    »Was ist mit ihm?« Ich tat so, als sei ich verwirrt, konnte jedoch förmlich spüren, wie ich errötete.
    »Grace, ich bin’s. Erinnerst du dich?« Laura schien sich beinahe für ihre geradezu übersinnlichen Fähigkeiten zu entschuldigen. Sie nahm ein Notizbuch aus ihrer Tasche,
blätterte es durch, hielt auf einer Seite inne und tat so, als würde sie lesen. Wenigstens dachte ich, dass sie nur so tat.
    »Bernard und du, ihr wart beide nach dem Mittagessen verschollen. Neunzig Minuten lang.« Sie sah mich über die Seite hinweg an – grinsend.
    »Ihr wurdet dabei gesehen, wie ihr gemeinsam zurückgekommen seid. In seinem Wagen. Nach allem was man so hört, ein schöner, ein Saab. Ein alter, okay, aber trotzdem elegant.« Sie beugte sich wieder über ihr Notizbuch. »Um ungefähr 15 Uhr 30.«
    Da gab es kein »ungefähr«, ihr detektivisches Geschick war legendär. Ich bemühte mich, lässig zu wirken.
    »Ich war bei Tans-R-Us. Auf dem Rückweg hab ich ihn getroffen, und er hat mich mitgenommen. Das ist alles.«
    »Komm schon, Grace.« Sie beugte sich zu mir herunter.
    »Das. Ist. Alles.« Ich sagte es langsam und sah ihr geradewegs in die Augen, erstaunt über meine Begabung für Ausreden, doch es war lebensnotwendig, Laura vom Kurs abzubringen. Wenn Shane von dem hier Wind bekam, würde es mir ergehen wie einem dreibeinigen Fuchs, der von einer gedopten Hundemeute gejagt wird. Oder von Caroline. Oder von Clare – und sage mir keiner, ich solle nicht paranoid sein. Denn: Das hier ist Dublin. Klatsch macht hier schneller die Runde als auf einem Schulhof. Gerüchte gleiten durch die Stadt, als würden sie sich auf Gleisen bewegen. Das sollte man im Hinterkopf behalten.
    »Okay, okay, belassen wir es dabei. Fürs Erste.« Lauras Stimme hatte bei den letzten beiden Worten so einen drohenden Unterton. »Um ehrlich zu sein, will ich mich eigentlich nur über mich und Peter unterhalten. Peter und mich. Uns. Ich bin wahnsinnig. Mir macht dieses komische Gefühl zu schaffen, ich kann es einfach nicht richtig ausdrücken. Es ist wirklich eine seltsame Erfahrung.«

    »Glück?«, fragte ich behutsam.
    »Mein Gott, fühlt es sich so an? Ich dachte, es wäre ruhiger.«
    »Es wird ruhiger werden.« Ich sagte es, als wäre ich auf diesem Gebiet Expertin. »Es dauert nur eine Weile, bis die Lust abklingt.«
    Laura, die spürte, dass mein Widerstand nachließ, holte zum finalen Schlag aus.
    »Ich treffe dich also um 17 Uhr an der Eingangstür?«
    Ich war wegen der ganzen Putzaktion und Träumerei von vergangener Nacht ziemlich kraftlos.
    »Okay, vierzig Minuten, und dann bin ich weg. Ich erwarte …«
    Sie unterbrach mich: »Ich weiß. Shane Gulliman kommt nach Hause. Bereitet alles zum Fest. Hisst die Fahne. Lasst die Zugbrücke herunter. Das ganze Tamtam eben.«
    Ich holte in ihre Richtung aus, aber sie war zu schnell für mich und floh aus meiner Reichweite. Stattdessen warf ich ihr einen Stift hinterher. Sie hatte ihn fast von Anfang an Shane Gulliman genannt.
    Als ich sie danach fragte, erklärte sie mir: »Er ist der Gulli, in dem deine emotionalen Ressourcen versickern.«
    Laura hob den Stift vom Boden auf, wo er fast einen halben Meter von ihr entfernt gelandet war. Sie ging, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Ich wandte mich wieder meinem Schreibtisch zu, war jetzt aber abgelenkt. Das Gefühl war wieder da. Das starke mit dem auffälligen Kribbeln. Das, das ich mit Bernard O’Malley verband. Es war ein Fluch, aber ich konnte es nicht abschütteln. Er würde da sein. Im Pub. Nach der Arbeit. Der Ausschuss für soziale Belange, der trotz Carolines Ausscheiden noch immer gut in

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