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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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essen?
    »Warum denn nicht?« Ich befinde mich auf dem Doppelgipfel meines Schuldgefühls (Döner stand nicht auf der Liste der »Empfohlenen Nahrungsmittel« meines heutigen Diättages) und Demütigung (mit meinem Verlangen in der Öffentlichkeit erwischt worden zu sein).
    »Himmel, Grace, wenn du so weitermachst, nimmst du nie ab.« Shane ist verärgert. Hätte er es nur zu mir gesagt, hätte ich vielleicht damit umgehen können. Vielleicht hätte ich seine Verärgerung als Besorgnis auslegen können. Aber vor all diesen gekünstelten Tussen, von denen jede nickt und zuckt und mit dem Finger zeigt!
    »Leck mich am Arsch!« Das sage ich. Laut. Vor seinen hungernden Fans. Ich wanke unter ihren anklagenden Blicken davon. Gehe allein auf den Kebabladen zu. An den Döner kann ich mich noch erinnern: dick, dampfend, mit zart schmelzendem Käse. In meinem Mund schmeckt er wie ein Leitfaden der WeightWatchers.
    Diesen Streit gibt es im Lauf der nächsten beiden Jahre in verschiedenen Variationen. Ich frage, warum er mich nicht so lieben kann, wie ich bin. Er sagt mir, dass es zu meinem Besten sei. Ich glaube ihm – meistens, und stolpere einer Karotte hinterher, die er an einem Strick baumeln lässt und die in direktem Verhältnis zur Abnahme meiner Kalorienzufuhr Zuwachs an Liebe und Zuwendung verspricht. Da ich eine treue und glühende Anhängerin von Marsriegeln bin, war dieser Weg bislang sehr steinig.
    Wenn ich ihn frage, warum er mich liebt, sagt er immer das Gleiche: »Du bringst mich zum Lachen.«
    Und ich erinnere mich an sein Lachen. Und an die Art, wie er mich ansieht, wenn er lacht. Als wäre ich dünn und sexy: eine Frau fürs Leben. Ich denke mir lustige Sachen
aus, die ich sagen kann, und eine lustige Art, wie ich sie sagen kann. Ich fange die lustigen Momente ein und bewahre sie auf, bis er im Zimmer ist, dann lasse ich sie wie Drachen los, und er lacht.
    Er sagt: »Du bist nicht wie die anderen Frauen, mit denen ich zusammen war.« Als er das sagt, lächelt er, aber ich denke an die Tabellen einer Sportliga. Wie schneide ich ab? Wo stehe ich auf der Tabelle? Ich denke an all die anderen Frauen. Wie viele? Ich frage nie. Ich bin wie eine Süchtige, die sich einmal am Tag ihre Droge einwirft.
    Müsste ich unsere Beziehung zusammenfassen, würde ich sagen, ich bin die Frage und er ist die Antwort darauf. Ich denke, er würde dem zustimmen. Eigentlich glaube ich sogar, ihm würde es gefallen.
    Hier sind wir: ausgestreckt auf der Couch in seinem Apartment in Donnybrook, etwa eine Woche, bevor er nach London abreist. Shane füttert mich mit einem dünnen Filetstück einer Regenbogenforelle, an deren Seite ein Bündel Blätter (gemischter Salat) liegt. Ich bin hungrig.
    »Mein Gott, würdest du bitte einen Blick auf den Zustand von Kate Moss werfen?« Ich halte eine Ausgabe des Now -Magazins hoch. Der Hunger hat mich verbittert.
    »Was stimmt nicht mit ihr?« Shane studiert das Bild. »Ich finde, sie sieht toll aus.«
    »Du kannst sie auf die Seite drehen und auf ihren Rippen Banjo spielen«, werfe ich ein. »Du kannst sie unmöglich attraktiv finden«, füge ich hinzu. Tief in mir weiß ich, dass Männer Kate Moss attraktiv finden. Ich weiß, dass ich nichts hätte sagen sollen, aber der Hunger hat meine Sinne getrübt. Besonders meinen gesunden Menschenverstand.
    »Sie ist attraktiv«, beharrt Shane. »Aber du bist es auch, auf andere Weise.«
    »Auf fette Weise, meinst du.«

    »Auf eine rundere Art, das ist alles.« Shane seufzt und wendet sich wieder dem Fernsehen zu. Seine Stimmung ist gesunken. Kate Moss hätte ich nicht in unsere gefährlich zu kippen drohende Situation einbringen sollen. Ich streiche mit dem Fuß sein Bein entlang, lasse ihn im Schritt seiner Jeans ruhen, übe sanften Druck aus.
    »Nimm mich mit nach London.« In derselben Minute, in der sie mir über die Lippen kommen, bereue ich diese Worte schon. Shane hatte mir deutlich gesagt, dass er allein gehen würde.
    »Es ist nur für sechs Monate, Grace … Es wird uns guttun, eine Weile getrennt zu sein … Ich muss mich auf meine Karriere konzentrieren.«
    Solche Sachen sagt er. Ich habe den Eindruck, dass er darauf brennt, endlich wegzukommen. Wie immer, wenn er mich ansieht, wird er an Patrick erinnert.
    Patrick ist etwas, über das wir nicht sprechen. Da gibt es nichts mehr zu sagen.
    Er schiebt meinen Fuß weg, steht auf und sieht auf mich herunter. Er ist im Begriff, etwas zu sagen. Angst schnürt mir die Brust zu. Ich springe

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