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Tage der Freuden

Tage der Freuden

Titel: Tage der Freuden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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mit Verachtung.
    Und Sie selbst, haben Sie nie diese künstlichen Umwege zur Natur gekannt? Zu gern hätte ich (was aber wegen der Winzigkeit der Details unausführbar ist) in einem versteckten Winkel (wie in einer Rumpelkammer) Ihrer sonst so musikalischen Bibliothek die Opern von Wagner und Symphonien von Franck oder D’Indy abgezeichnet, aber auf Ihrem Piano lagen, vor allen Augen sichtbar und noch aufgeschlagen, einige Hefte von Haydn, Händel, Palestrina.
    Ich habe keine Angst gehabt, Sie auf dem rosenfarbenen Sofa abzuschildern. T. sitzt neben Ihnen und beschreibt Ihnen sein neues Zimmer, das raffiniert geteert ist, auf daß es in ihm die Illusion einer Seereise erwecke, und nun entschleiert er vor Ihnen alle Quintessenz seiner Toilette und seiner Einrichtung.
    Ihr sprödes, kühles Lächeln beweist, wie niedrig Sie eine Phantasie einschätzen, welcher in ihrer Kraftlosigkeit ein leeres Zimmer nicht genügt, um in ihm alle Visionen des Universums aufzurollen, und welche Kunst und Schönheit unter einer so erbärmlich niederen Form begreift.
    Ihre bezauberndsten Freundinnen sind da. Werden sie es mir verzeihen, wenn sie von Ihnen diesen Fächer zu sehen bekommen – ich weiß es nicht. Mag eine Frau die eigenartigste Schönheit tragen und vor unsern hingerissenen Augen sich abzeichnen wie ein aus dem Rahmen entsprungenes Bild von Whistler, sie wird sich doch nur in einem Porträt von Bougereau geschmeichelt wiedererkennen. Die Frauen verwirklichen die Schönheit mit ihrer Person, verstehen sie aber nicht.
    Vielleicht werden sie sagen: »Wir lieben einfach eine Schönheit, die anders ist als die Ihre. Weshalb sollte sie weniger schön sein als die Ihre?«
    Aber gestatten Sie mir wenigstens die Bemerkung, wie selten die Frauen sind, die das Ästhetische verstehen, das sie tadeln. Hier ist eine Jungfrau von Botticelli, sie würde, wenn nicht gerade Botticelli Mode wäre, diesen Meister häßlich und ungeschickt finden.
    So nehmen denn Sie diesen Fächer mit Milde entgegen! Wenn eine von den Schattengestalten, die sich mir, nach ihrem Fluge durch meine Erinnerung, hier als Modelle gestellt haben, nachdem sie einst lebendig am Dasein gesogen, wenn eine von diesen Schattengestalten Ihnen einmal eine Träne entlockt hat, dann nehmen Sie es hin ohne Bitterkeit und bedenken Sie, es ist ein Schatten nur, an dem Sie nicht mehr leiden werden.
    In aller Unschuld habe ich diese Schattengestalten auf dieses dünne Papier getragen, dem eine Bewegung ihrer Hand Flügel geben kann, denn Schmerz bereiten können Sie ihr nicht mehr, dazu sind sie zu unwirklich, zu drollig …
    Am meisten unwirklich, am drolligsten vielleicht in der Stunde, da Sie sie einladen, sie mögen erscheinen, um einige Stunden dem Tode vorwegzunehmen und ihr Scheinleben als Phantome in der künstlichen Freude Ihres Salons zu entfalten, unter den Kronleuchtern, deren Arme bedeckt sind von großen blassen Blüten.
XIV
Olivian
    Warum sieht man Sie, Olivian, jeden Abend in die Komödie eilen? Ihre Freunde haben also weniger Geist als ein Pantalon, Scaramouche und Pasquarello? Wäre es nicht netter, mit ihnen zu dinieren? Aber Sie können noch Besseres tun. Ist das Theater die Hilfsquelle aller Plauderer, deren Freunde zu verstummen haben, deren Geliebte zu wortreich sind –so bleibt die Konversation, selbst die gewählteste, nur das Vergnügen der phantasielosen Naturen. Es gibt Dinge, die man nicht erst beim Kerzenschein einem geistvollen Menschen zeigen muß, denn er sieht sie während des Gesprächs –diese Dinge aber Ihnen, Olivian, klarzumachen, ist reiner Zeitverlust. Die Stimmen der Phantasie und der Seele sind die einzigen, die ein glückliches Echo wecken im ganzen Umkreis der phantasievollen Seele; und wenn sie nur einen winzigen Teil der Zeit, die Sie totgeschlagen haben, um zu gefallen, dazu verwendet hätten, sie lebendig zu machen, so hätten Sie mit einem Buche, mit ein wenig Nachdenken an Ihrem Kamin im Winter oder in Ihrem Parke zur Sommerszeit einen tausendmal reicheren Erinnerungsschatz sammeln können an Stunden der Fülle und Tiefe. Scheuen Sie nicht vor der Harke, dem Rechen zurück! Eines Tages erleben Sie mit Freude, wie ein süßer Duft aus Ihrem Erinnern hervorsteigt wie aus einem Gartenkarren, der bis an den Rand gefüllt ist.
    Wozu die vielen Reisen? Die Wagenpferde führen Sie nur so langsam dorthin, wohin Sie ein Traum in Sekundenschnelle bringt. Wollen Sie am Meeresstrande sein, müssen Sie nur die Augen schließen. Überlassen

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