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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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schon?«, fragte Sedin.
    »Bald halb drei«, sagte Bergenheim.
    »Oh«, sagte Sedin und imitierte instinktiv einen Blick auf die Uhr, obwohl er keine trug. Die Uhr war auf dem Display des Smartphones, das schwer in seiner Tasche wog. Bergenheim grinste, beugte sich zu ihm hinunter und fragte: »Was machst du hier eigentlich?«
    »Was?«
    »Die Kleine ist keine zwanzig, mein Lieber«, sagte Bergenheim, in unmittelbarer Nähe seines Ohres.
    Sedin hob den Blick und betrachtete Bergenheims Gesicht. Die scharfen, markanten Züge, denen weder ungebremster Alkoholkonsum noch der Konsum welcher Drogen auch immer das Geringste anhaben konnte. Die hochgezogenen Brauen, das süffisante, überlegene Lächeln.
    »Egal, wir gehen jetzt jedenfalls«, sagte Bergenheim und klopfte ihm auf die Schulter. Sedin sah ihm nach und hob den Arm, um den Abschiedsgruß von De Vries, Markkanen und dem Jungen aus der Asienabteilung zu erwidern, die in einiger Entfernung standen, bereit zum Aufbruch.
    »Komischer Grinser«, sagte Réka.
    »Hm?«
    »Dein Freund da. Komischer … Grinser.«
    Sedin lachte, und sie stimmte ein. Als er sich aufrichtete, fuhr ihm ein Stich in den Magen und ein Schwindel ins Hirn, aber er konnte sich abfangen und fing im selben Bewegungsablauf auch Réka auf, die schon halb auf dem Boden lag. Wenig später wankten sie, Arm in Arm, durch die Nacht, und Réka sagte dauernd: »Das ist ungarisch, weißt du, der Strich über dem e.«
    Die Lobby war gedämpft beleuchtet und warm, der Nachtportier nickte ihnen zu und senkte den Blick, als sie den Aufzug betraten. Sedin drückte die Acht und spürte einen nicht unangenehmen Brechreiz, als sie nach oben gehoben wurden. Sie liefen den schmalen weinroten, in sanftes Licht getauchten Korridor entlang zu seinem Zimmer.
    »Hier wohnst du?«, nuschelte sie.
    »Nur diese Nacht«, sagte er.
    »Schön … schön rausblicken … schöne Aussicht …«, sagte sie und trat an die Fenster heran, hinter denen das Meer im Dunkel lag. Dann saßen sie auf dem Bett, und er öffnete eine Sektflasche aus der Minibar. Füllte zwei Gläser und reichte ihr eines. Drehte am Dimmer der Deckenbeleuchtung, bis es ihm hell genug erschien. Und dunkel genug.
    »Auf uns«, sagte sie.
    Er nickte.
    »Machst du das öfter?«, fragte er.
    »Was denn?«, fragte sie.
    Er sah sie durch einen Schleier und ging ins Bad, weil er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen. Aber es kam nichts. Er stand einige Minuten lang und wartete. Als er zurückkam, hatte sie nur noch Unterwäsche an. Rosa.
    Er setzte sich an den Rand des Bettes und erwiderte ihren Blick. Sie sah traurig aus und sah ihm direkt in die Augen. Sie schien sich auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren, und plötzlich schnellte sie nach vorn und warf sich über ihn. Ihre Küsse waren wütend und schienen nichts zu tun zu haben mit dem Lächeln, das sie ihm schenkte, als sie die Arme um ihn schlang und sich auf ihn setzte. Er wusste nicht, wie lange es dauerte, aber sie lächelte die ganze Zeit, und als es zu Ende war, hatte er das Gefühl, hinter den Fenstern würde ein Morgen dämmern.
    Als er einschlief, lächelte sie immer noch, ohne ihn anzusehen, und als er erwachte, schlief sie.
    Er ging ins Bad. Stützte sich am Waschbecken ab und betrachtete den Whirlpool, der ihm zum ersten Mal auffiel, obwohl er das Bad diverse Male betreten hatte. Er würde noch bleiben. Noch einen Tag dranhängen. Bergenheim Bescheid geben. Er hörte ihre Stimme, leise und klar, und sah sie auf dem Bett sitzen, mit zerzausten Haaren, und er dachte wieder, dass sie irgendwie aussah wie ein Lausbub. Wie Ville, wenn er ins Bad wankte, um die Zähne zu putzen, morgens vor der Schule, und Taina rief, dass er noch fünf Minuten Zeit habe und verdammt noch mal nicht so rumtrödeln solle.
    »Wie alt bist du eigentlich?«, fragte er.
    »Was sagst du?«, fragte sie und ließ sich wieder auf das Kissen sinken und legte die Decke um sich.
    »Wie alt …«
    »Ach so. Neunzehn«, sagte sie.
    Er nickte. Wie recht Bergenheim manchmal hatte.
    »Und du?«
    »Zweiundvierzig«, sagte er.
    »Na. Siehst jünger aus. Also … ein bisschen …«
    Er lachte und dachte an Ville, der im Bad stand, vielleicht gerade jetzt, Zähne putzend. Er fragte sich, ob Ville in der Nacht aufgewacht war und ihn vermisst hatte.
    »Ich … muss mal runter«, sagte er. »Frühstücken, mit … meinen Kollegen.«
    »Guten … wie sagt man … Appetit …«, sagte sie.
    »Willst du … mitkommen?«, fragte er und stellte

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