Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

abzutreiben, aber dann habe ich es zur Welt gebracht. Jetzt, in diesem Moment, bin ich glücklich darüber.
    Ein paar kleine Sachen will ich sagen, zu dem Kind:
    Nein, mir ist in den vergangenen zwölf Monaten kein einziges Mal mit einem Freier das Kondom geplatzt.
    Ja, du bist der Vater.
    Und ja, ich hätte dir trotzdem zu einem Vaterschaftstest geraten, sicherheitshalber, wenn ich nicht das Kind direkt nach der Geburt einmal gesehen hätte. Schau einfach genau hin, ich bin sicher, du wirst dich in ihrem Gesicht finden, ich jedenfalls habe dich sofort gefunden.
    Ich weiß nicht, was du tun möchtest. Mit dem Kind. Aber ich denke, dass es richtig ist, dir zu sagen, dass du Papa geworden bist.
    Das Kind habe ich Sanna genannt. Irgendwie habe ich immer, seitdem ich dich kenne, gedacht, dass du Sanna zurückbekommen musst. Also … hier ist sie.
    Mach das Beste draus, lieber Kimmo, und immer von Herzen alles Gute.
    Grüß die Giraffe,
    L.
    Joentaa las. Einige Male. Dann lief er und blieb vor dem rechteckigen Kasten stehen, der umgeben war von Apparaturen, deren Funktion und Bedeutung er nicht kannte. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und betrachtete Sanna, die ruhig zu schlafen schien. Sie wirkte zufrieden, schien entweder gut oder gar nicht zu träumen.
    Er dachte darüber nach, ob Babys träumten, ob es Studien dazu gab, Erkenntnisse, und er dachte, dass er keine Ahnung hatte. Nicht die geringste.
    Er dachte an Larissa. Larissa, die Mari geheißen hatte. Er spürte den Schmerz, den er gespürt hatte vor einigen Jahren, in der Nacht, in der Sanna gestorben war. Es war genau dieser Schmerz, identisch, deckungsgleich.
    Er stand auf und schob den Stuhl näher an den Brutkasten heran, bis er mit der Hand das Glas berühren konnte, dann lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Nach einer Weile kam der Schlaf, er begrub ihn unter sich wie eine hohe Welle, und kurz davor dachte er, dass es ein schöner Gedanke war.
    Ein schöner Gedanke, dass er in dieser Nacht nicht allein würde einschlafen müssen.

DANK
    Ich danke für die wertvollen Gedanken und Gespräche in der Entstehungsphase dieses Romans Niina, Venla und meinen Eltern, Georg und Wolfgang, Esther, Lisa und Caterina, Christian, Ninne, Stephan und Klaus.

Das Buch
    Anfang Mai, im finnischen Turku fällt der letzte Schnee. Kommissar Kimmo Joentaa wird gleich zwei Mal gerufen: zu einem Autounfall mit Fahrerflucht, bei dem eine Elfjährige ums Leben gekommen ist, und an einen Tatort, an dem zwei unbekannte Tote auf einer Parkbank liegen, als würden sie schlafen. Für den Vater des bei dem Unfall verstorbenen Mädchens wird Kimmo Joentaa zum Begleiter in der Trauer, während er gleichzeitig daran arbeitet, den Doppelmord aufzuklären.
    Die Ermittlungen führen Joentaa in ein fatales Beziehungsgeflecht, das Menschen, die nichts verband, schicksalhaft zusammengeführt hat: einen Architekten, der den festen Glauben an die Symmetrie des Lebens verliert, einen Schüler, der unaufhaltsam auf einen Amoklauf zusteuert, eine junge Frau, die versucht, der Armut zu entkommen, und einen Investmentbanker, der sich im Dickicht seines Doppellebens verliert.
    Als Joentaa die Linien, die diese Menschen verbinden, schließlich zu erkennen beginnt, ist es fast zu spät. Und erst dann begreift er, dass seine große Aufgabe nie die Suche nach einem Doppelmörder war, sondern eine, die ihm noch bevorsteht …

Der Autor
    Jan Costin Wagner, Jahrgang 1972, lebt als freier Schriftsteller und Musiker bei Frankfurt am Main und in Finnland, seiner zweiten Heimat. Seine erste Songwriter-CD „behind the lines“ erschien 2010. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet (Deutscher Krimipreis, Nominierung zum Los Angeles Times Book Prize) und in 14 Sprachen übersetzt. Der Roman Das Schweigen wurde 2010 fürs Kino verfilmt. Zuletzt erschien Das Licht in einem dunklen Haus bei Galiani Berlin.

1. Auflage 2014
    Verlag Galiani Berlin
© 2014 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
eBook © 2013 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Covergestaltung: Manja Hellpap und Lisa Neuhalfen, Berlin
Covermotiv: © Getty images/Sam Burt Photography
Autorenfoto: © Gunter Glücklich

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