Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
über dem Nachttisch zu schweben begonnen hatte und der jetzt, sicher verwahrt, in seiner Brieftasche lag.
    »Kesken OY ? Die mit den Solarzellen? Das war doch schon alles … diese Papiere haben wir doch gerade für den OptiRent akkumuliert«, sagte Markkanen.
    OptiRent, dachte Sedin. Tausendsassa. Unser erfolgreichster Fondsmanager. Vielleicht musste Bergenheim, wenn die Fusionspläne von Kesken OY platzten, an seiner Rede noch ein wenig feilen und De Vries und den Kollegen in Belgien eine aktualisierte Fassung zukommen lassen … Markus Sedin, unser erfolgreichster Fondsmanager, den wir heute im gegenseitigen Einvernehmen und im besten Einverständnis von seinen Aufgaben entbunden haben …
    »Wie sicher ist die Information denn?«, fragte Markkanen.
    Bergenheim schwieg, und Sedin dachte: Was ist schon sicher. Er zuckte zusammen, als sein Handy klingelte. Er zog es aus der Hosentasche und betrachtete das Bild auf dem Display, das die Anruferin zeigte, eine lächelnde, fremde Taina. Ein Schnappschuss aus einer vergangenen Zeit, an einem Sonnentag, er hatte vergessen, wo sie das Foto gemacht hatten. Der Klingelton wurde drängender, und Bergenheim fragte, ob er nicht mal rangehen wolle.
    »Hallo?«, sagte Sedin.
    »Taina hier«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Seid ihr unterwegs?« Ihre Stimme weicher, leiser als zuletzt. Erschöpft und entspannt.
    »Ja, im Zug nach Brüssel«, sagte er. »Der Flug geht am Nachmittag. Habt ihr … gut geschlafen?«
    »Ville wurde wach und war ziemlich unruhig.«
    »Ja«, sagte Sedin.
    »Du hast ihm gefehlt«, sagte sie.
    »Ich bin ja am Abend wieder da.«
    »Wir freuen uns«, sagte sie, und er fragte sich, ob sie ihn quälen wollte, mit diesen lieben Worten und der liebevollen Stimme.
    »Ich auch.«
    »Bis dann.«
    »Ja, bis dann«, sagte er.
    Er legte das Handy vor sich auf den Tisch, drehte es um, und Stille füllte den Raum. Bergenheim hatte die Augen geschlossen, vermutlich, um über die platzende Fusion und die Konsequenzen für diverse Anlagefonds der Norda-Bank nachzudenken, und Markkanen schien auf irgendeinem Satz herumzukauen, den auszusprechen ihm schwerfiel.
    »War das Taina?«, fragte er schließlich, einen kurzen Seitenblick auf Bergenheim werfend, der weiterhin die Augen geschlossen hielt.
    »Ja«, sagte Sedin.
    »Wie geht es ihr denn?«, fragte Markkanen.
    Gute Frage, dachte Sedin. Keine Ahnung. »Ganz gut«, sagte er.
    »Ist sie … hat sie wieder angefangen … zu arbeiten …?«
    »Noch nicht«, sagte Sedin.
    »Ah …«, sagte Markkanen. »Ja.«
    Wieder setzte Stille ein, der Zug fuhr mit hoher Geschwindigkeit in eine Kurve, ein wenig Kaffee lief über die Teller und die Tischdecke. Markkanen griff nach einem Taschentuch, um aufzuwischen, und Bergenheim sagte, ohne die Augen zu öffnen: »Ich denke oft über Taina nach. Mir ist die Sache damals nicht leichtgefallen, und ich hoffe, Markus, du weißt, dass ich versucht habe, ein Wort für sie einzulegen.«
    Das weiß ich keineswegs, dachte Markus Sedin, aber er nickte.
    »Es war einfach … am Ende ging es einfach nicht mehr«, sagte Bergenheim.
    Sedin nickte noch einmal, dieses Mal ehrlich zustimmend. Es war tatsächlich nicht mehr gegangen, im Herbst vor einem Jahr, als Taina etwas heimgesucht hatte, das der Arzt bis heute Migräne nannte, eine schwere, wiederkehrende Migräne, mit zeitweiliger Aura, was immer das heißen mochte, in jedem Fall ein Zustand, in dem Taina Sedin nicht mehr hatte arbeiten können. Vorbei die Zeit, in der Bergenheim von Taina Sedin, unserer erfolgreichsten Fondsmanagerin, hätte sprechen wollen, obwohl Taina genau das gewesen war. Die beste Fondsmanagerin der Norda-Bank, eine feste Größe, als Markus Sedin vor acht Jahren dazugestoßen war. Und ironischerweise war es Taina gewesen, die den OptiRent begründet hatte, jenen Fonds, der ihm, ihrem Mann, gestern so hohes Lob von Bergenheim eingebracht hatte – und Bewunderung seitens der belgischen Banker. Die Verantwortlichen in der Chefetage hatten im vergangenen Jahr vermutlich allen Ernstes geglaubt, sie würden der Familie Sedin bei all dem Unglück einen kleinen Gefallen tun, gewissermaßen eine Art Ausgleich schaffen, wenn sie die Gattin feuerten, im Gegenzug aber dem Ehemann deren Job anboten.
    Sedin sah das Handy an, das auf dem Tisch lag, und spielte mit dem Gedanken, Taina anzurufen und ihr zu sagen, dass der OptiRent soeben geschätzte zehn Prozent an Wert verloren hatte. Wohlwollend kalkuliert. Und dass Taina nicht das Geringste damit

Weitere Kostenlose Bücher