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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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»Schon bald vier Uhr. Ich lege mich schlafen … dieses Mal wirklich …«, sagte er.
    Joentaa nickte. Er blieb noch einige Minuten, wartete, ob Lasse Ekholm zurückkommen würde, dann legte er die Tabletten auf den Wohnzimmertisch, löschte das Licht und fuhr nach Hause. Auf derselben Straße, auf der vor wenigen Stunden Ekholm mit Anna vom Weg abgekommen und gegen einen Baum geprallt war.
    Er passierte die Unfallstelle, die im Dunkel lag. Die Scheinwerfer, die das Autowrack angestrahlt hatten, waren ausgeschaltet worden, die Techniker waren nach Hause gegangen, aber das Auto war noch da, und einige Streifenpolizisten sicherten die Umgebung, die am kommenden Tag noch einmal unter besseren Bedingungen begutachtet werden würde. Er dachte kurz darüber nach, anzuhalten und auszusteigen, aber er fuhr weiter, vorbei an der Eishalle, an deren Wänden in neongelben Farben Werbung für eine Fast-Food-Kette, einen Schuhladen und einen Online-Versand prangte.
    Als er zu Hause ankam, lag das Haus im Dunkel. Er blieb im Wagen sitzen und erinnerte sich an eine andere Nacht, die einige Monate zurücklag. Auch in dieser Nacht hatte er im Wagen gesessen und das unbeleuchtete Haus im Dunkel angesehen und gewusst, dass Larissa zurückgekommen war, endlich. Wenn alle Lichter im Haus gelöscht waren, war sie da.
    Er hatte aufgehört, sie danach zu fragen, warum sie das Licht einschaltete, wenn sie ging, und warum sie es löschte, wenn sie nach Hause kam, denn er hatte begriffen, dass sie ihm diese Frage ebenso wenig beantworten würde wie die anderen, die er stellte.
    Er ging die Anhöhe hinauf zur Eingangstür, öffnete und schaltete das Licht an. Larissa saß im Wohnzimmer, auf dem Sofa, mit angewinkelten Beinen, der Fernseher lief ohne Ton.
    »Da bist du ja«, sagte Kimmo Joentaa.
    »Natürlich«, sagte sie.
    Joentaa ging auf sie zu und spürte die Erleichterung, die er häufig spürte, wenn sie wieder da war, nach Tagen oder Wochen, eine Erleichterung, die gleichzeitig eine Beklemmung war, weil in der Erleichterung auch schon das Wissen um ihr nächstes Verschwinden enthalten war.
    Er setzte sich neben sie.
    »Natürlich bin ich da«, sagte sie, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
    »Hm«, sagte Joentaa.
    »Was … hm?«
    »Nichts«, sagte Joentaa. »Aber … du hattest gesagt, dass du einige Tage lang weg sein würdest …«
    »Doch nicht. Nicht heute. Morgen vielleicht.«
    Joentaa schwieg. Dachte über die nächsten Worte nach, die Worte, die sich als richtig hätten erweisen können und die er so oft suchte in Gesprächen mit Larissa.
    »Es ist … spät«, sagte er.
    Larissa lachte. »Stimmt.«
    »Vier Uhr. Nachts.«
    Larissa nickte.
    »Du sitzt hier und denkst nach.«
    Sie schaltete um. Auf dem Fernsehbildschirm lief ein Cartoon. Drei kleine Mädchen bekämpften einen überdimensionalen Roboter.
    »Möchtest du mir sagen … worüber?«, fragte er.
    Sie nahm den Blick nicht vom Fernseher. Schien zu warten. Auf die Worte, die er nicht kannte.
    »Worüber denkst du nach?«, fragte er.
    »Über nichts, Kimmo«, sagte sie.
    Er schwieg.
    »Über nichts und über alles Mögliche. Worüber wollen wir zuerst reden?«
    »Über … alles Mögliche?«, sagte er.
    »Lieber über nichts«, sagte sie.
    Auf dem Bildschirm hatten die Mädchen den Roboter verknotet und niedergerungen und allem Anschein nach die Welt gerettet, die Menschen jubelten.
    »Ich habe einfach auf dich gewartet«, sagte Larissa.
    Joentaa nickte.
    »Und, Kimmo …?«
    Sie wendete den Blick vom Fernseher ab und sah ihm in die Augen.
    »Ja?«, sagte er.
    »Schön, dass du da bist.«

EINEN MONAT FRÜHER – APRIL
15
    Der Abflug war pünktlich, die Ankunft auch, und niemand außer Markus Sedin schien zu bemerken, dass die Welt auf dem Kopf stand und die Zeit die falsche Richtung eingeschlagen hatte.
    Er bemerkte es ja selbst kaum.
    Das Flugzeug schwebte auf einer geraden Linie in einem avisierten Zeitraum. Der Kopilot kündigte Temperaturen an, die im Normbereich lagen. Die Stewardess brachte ein Sandwich, eine Cola und ein heißes Tuch, das einen Moment lang Gänsehaut verursachte, als er es auf seine Hände legte.
    Die Sonne beschien die Wolken.
    In seinen Ohren und hinter der Stirn breitete sich der vertraute Schmerz aus, als der Landeanflug begann. Gähnen, hatte sein Arzt gesagt. Breit gähnen, ob man nun müde sei oder nicht, das helfe gegen den Druck auf den Ohren.
    Das machte er. Gähnen, hellwach, mit geschärften Sinnen.
    Abreisen, ankommen.
    Nichts war

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